Carmilla, die Vampirin - Der Ursprung der Blutsauger

„Carmilla hing mehr denn je an mir, und ihre merkwürdigen Aufwallungen glutvoller Zuneigung wurden immer häufiger. Je mehr meine körperliche und seelische Kraft schwand, desto leidenschaftlicher schien sie sich an mich zu klammern. Mich erschreckten diese Anfälle immer; sie waren wie ein Aufflackern von Wahnsinn.“

Die hübsche Laura bewohnt mit ihrem Vater und wenigen Bediensteten das prunkvolle, aber abgelegene Schloss in der idyllischen Steiermark. Das Leben ist beschaulich bis eines Nachts eine wundersame junge Frau ins Leben der Schlossbewohner tritt. Niemand weiß, wer die schöne Carmilla ist; sie selbst muss sich auf Geheiß ihrer Mutter in Schweigen hüllen. Schnell wächst zwischen den jungen Frauen eine tiefe Freundschaft, deren wahre Natur jedoch vorerst im Verborgenen bleibt. Erst als Laura von einer mysteriösen Mattigkeit heimgesucht und von Tag zu Tag schwächer wird, sucht ihr Vater verzweifelt nach den Gründen und kommt ungewollt der dunklen Vergangenheit Carmillas auf die Spur.

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Es gab mal eine Zeit, da waren Vampire nicht muskelbepackte, sexy Typen in Lederklamotten, denen man die Halsschlagader nur zu gerne anbieten will, sondern unheimliche Spukgestalten, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Vorlage für Schauergeschichten dienten, die es für die damalige Zeit richtig in sich hatten. Aus dieser Zeit stammt Le Fanu's Werk "Carmilla, die Vampirin", ein Vorreiter der Vampirliteratur aus dem Jahr 1872, der selbst Bram Stoker beeinflusst hat, dessen berühmter "Dracula" erst Jahre später erschien.

Bedenkt man, dass es sich hier quasi um den ersten Vampirroman handelt, ist es nicht verwunderlich, dass die altbekannten Merkmale wie Abneigung gegen Knoblauch oder Sonnenlicht und eine unnatürliche Blässe bei Carmilla fehlen. Die junge Dame verhält sich nicht weiter auffällig, wenn man davon absieht, dass sie Grabgesänge verabscheut und des Nachts öfters ihrem Zimmer entflieht, obwohl Tür und Fenster von innen verschlossen sind.

Carmilla ist für unsere Zeit heute geradezu harmlos und vorhersehbar, aber das hat den Reiz der Geschichte nicht gemindert; vielmehr passt der stille Stil perfekt zur Geschichte. Auch wenn man leider von vornherein weiß, dass die mysteriöse junge Frau, die Lauras Vater dort bei sich aufnimmt, eine Vampirin ist, bleibt ein gewisser Gruseleffekt, beispielsweise wenn Laura nachts erwacht und eine Gestalt am Fußende ihres Bettes stehen sieht, die sie regungslos anstarrt. Oder wenn sie von Alpträumen geplagt wird, in denen eine schwarze Bestie katzengleich auf ihr Bett zuschleicht und sich auf ihre Brust setzt. 

Le Fanu‘s klarer altmodischer Sprachstil liest sich sehr angenehm und vermittelt eine ruhige, aber irgendwie auch unheimliche Atmosphäre, passend zum abgelegenen ländlichen Schauplatz der Geschichte. Wie auch in anderen älteren Vampirromanen finden sich hier leicht homoerotische Züge, welche dieses Buch bei seinem erstmaligen Erscheinen sicher zu einer aufsehenerregenden Geschichte gemacht haben. Denn Carmilla zeigt mehr als deutlich ihr Interesse an der schönen Laura, die mit den Annäherungsversuchen und Zärtlichkeiten der jungen Frau nur schwer zurechtkommt. Auch die anderen Opfer, die in der ganzen Ortschaft nach und nach auftauchen, sind allesamt junge Frauen und offenbaren Carmillas Präferenz fürs weibliche Geschlecht. Wollte Le Fanu die Andersartigkeit des Vampirs dadurch nur noch mehr verdeutlichen?

Mein Fazit: Zurück zum Ursprung. Wer nach Abwechslung von J.R.Wards oder Lara Adrians sexy Kriegervampiren sucht, findet hier ein Stück klassischer Schauerliteratur, welches das Vampirphänomen quasi geschaffen hat. Ich fand den Ausflug in die Vergangenheit sehr lohnenswert. 

Carmilla, die Vampirin
Broschiert: 128 Seiten
Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (22. März 2011)
ISBN-10: 9783257240870

Preis: 9,90 Euro

Willis Fazit:

5 Kommentare:

  1. Das heißt, das Buch ist etwas für "Dracula"-Liebhaber? Das wäre wirklich cool!

    LG
    Kathi

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  2. Ich habe Dracula zwar (noch) nicht gelesen, aber in der Diskussiongruppe zum Buch bei Lies & Lausch wurden des öfteren Stilähnlichkeiten erwähnt. Ich denke also schon, dass es das Richtige für Dracula-Liebhaber ist.

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  3. Ich hasse glitzernde Vampire und liebe böse, gruselige Draculas!!! ;-)

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  4. Hi,
    sehr tolles Buch. Ich denke es ist auf jeden Fall was für Dracula-Fans. Diente Bram Stoker nämlich tatsächlich als Inspiration.
    In der Zeit sind einfach großartige Vampirgeschichten entstanden. Und das alles noch vor "Dracula"...

    Friedelchen, mich würde interessieren, ob der Hintergrund von unserem Blog jetzt den ganzen Bildschirm ausfüllt. Danke. :)

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  5. Hallo Friedelchen,
    nun zu deiner Frage: Ja, es gibt sogar 3 Nachfolger. Die werden auch noch gelesen und rezensiert. Habe aber die Befürchtung, dass es dann von Teil zu Teil schlechter wird. Wie das eben so ist mit Bestsellern. Da muss dann unbedingt eines hinterher und noch eins und noch eins... ohne Rücksicht auf die Qualität, die bleibt dann oft auf der Strecke.
    LG :)

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