Die dystopischen Zwölf #12 - Globalia

Alles in Globalia ist perfekt, doch nichts ist wirklich echt. Jeder ist frei, doch Globalia überwacht alles.

Globalia ist die perfekte Welt, eine große weltumspannende Nation, umgeben von einer riesigen Glaskuppel, die die Bewohner vor der wilden, unzivilisierten Welt draußen schützt. Jeder ist sicher in Globalia, niemand muss Armut oder Krankheit erleiden; man muss noch nicht einmal arbeiten gehen, wenn man nicht will. Doch Baikal glaubt den Versprechungen nicht, die über die ständig laufenden Werbebildschirme flackern. Zusammen mit seiner Freundin Kate flieht er nach draußen und erlebt für ein paar Tage echten Regen auf der Haut, Hunger und Angstgefühle. Aber auch eine grenzenlose Freiheit. Doch Globalia ist ihnen längst auf den Fersen...



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Puh, was soll ich euch zu einem Buch erzählen, dass mich von seinen enthaltenen Ideen her zwar wirklich faszinieren, aber einfach nicht fesseln konnte? Ein Buch, dass ich zwischendurch mal so eben für 2 Monate wegpacken konnte, ohne mich zu fragen, wie die Geschichte nun ausgeht? Wie man vielleicht schon merkt, hat mich Rufins "Globalia" zwiegespalten zurückgelassen.

Irgendwann in der Zukunft hat man sich von der Gewohnheit verabschiedet, dass jedes Land seine eigene Nation bildet und eine eigene Kultur hat. Stattdessen gibt es nur noch eine weltumspannende Nation, in der alle zusammengeführt wurden - die Bewohner von Globalia. Diese haben ihre Freiheit weitestgehend für ein sicheres Leben aufgegeben. Unter der schützenden Glaskuppel muss niemand Krankheit oder Hunger leiden, die dekadente Wohlstandsgesellschaft hat alles, was sie braucht - und wird durch ständig flimmernde Werbebotschaften immer weiter animiert, selbst überflüssige Sachen zu kaufen. Das sie alle ständig überwacht werden und die Glaskuppel nicht verlassen dürfen, stört hier niemanden. Schließlich gibt es überall Feinde von Globalia, die das schöne friedliche Leben zerstören wollen - Terroranschläge sind da an der Tagesordnung.

Doch was tun, wenn die Menschen ihre Angst vor dem Feind verlieren, weil er zur Gewohnheit geworden ist? Wie sollen sie da weiterhin die freiheitseinschränkenden Maßnahmen akzeptieren? Ganz einfach, ein neues Feindbild muss her, gegen dass sich der Hass der Menge richten kann. Da kommt Baikal ins Spiel, der mit seiner rebellischen Art der ideale Kandidat ist...

Rufin erschafft hier ein unglaublich detailliertes Universum, welches mich an den Komplexitätsgrad von "1984" von Orwell erinnert hat. Auch Rufin spielt mit der Sprache, wie es Orwell mit seinem "Neusprech" und "Doppeldenk" getan hat. Um der vorherrschenden Klasse der alten Menschen zu schmeicheln, nennt man sie nun zum Beispiel "Bürger mit großer Zukunft". Und natürlich herrscht Meinungsfreiheit, doch wessen Meinung den gängigen Ansichten widerspricht, dessen Karriere wird "stark beschleunigt" (= gefeuert). Und wer sich über Baikals ungewöhnlichen Namen wundert: er wurde so benannt als Erinnerung an den kulturellen Hintergrund seiner Mutter. Denn jeder Bürger Globalias hat, trotz der gemeinsamen Nation, Anspruch auf ein Set "standardisierter kultureller Referenzen", auf die man sich beziehen kann.    

Klingt doch eigentlich alles ganz interessant, oder? Wieso bin ich dann so zwiegespalten? Wie gesagt, die ganzen Ideen, die in diesem Buch stecken, fand ich wirklich toll. Aber irgendwas hat mir gefehlt. Vielleicht eine emotionale Bindung sowohl zur Handlung als auch zu den Charakteren. Niemand von ihnen konnte mich wirklich emotional berühren, weder Baikal, der nach Freiheit strebt, noch seine Freundin Kate, die sich nach seiner Instrumentalisierung zum neuen Feind verzweifelt bemüht, ihn wiederzufinden, noch die "bösen" Gegenspieler Baikals. Und der Fortgang der Geschichte konnte mich auch nicht fesseln. Mir fehlte ein richtiger Höhepunkt im Buch, ein finales Auflehnen gegen Globalia. Stattdessen ließ es mich fast schon kalt, was aus Baikal wird. Schade.

Mein Fazit: "Globalia" überzeugt mit einem komplexen Gesellschaftsentwurf der Zukunft, konnte mich jedoch emotional einfach nicht ans Buch fesseln. Trotzdem ist die Geschichte eine Bereicherung des Dystopie-Genres.

Globalia - Jean-Christophe Rufin
Taschenbuch: 448 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag (12. Februar 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 344246000X


Willis Fazit:





2 Kommentare:

  1. Hm, wenn alle unter der Glaskuppel sind, wer verübt da denn die Terroranschläge?

    Ich glaube, das Buch ist ein bisschen lasch und fordert einem keine starken Gefühle ab. Der Weltenentwurf interessiert mich nur mäßig, bedeutet wohl, dass ich es mit "Globalia" lassen werde.

    Danke für deine Rezension. :)

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    1. Hi, wie Baikal gibt es auch innerhalb der Glaskuppel viele Menschen, die mit ihrer Regierung und den Zuständen nicht zufrieden sind. Und außerhalb der Kuppel leben auch noch "Wilde", verbannte oder dort geborene Menschen. Fraglich ist natürlich auch, wie weit eine Regierung gehen würde, um die Menschen weiter in Angst zu versetzen...
      Du siehst, die möglichen Kandidaten für Terroranschläge sind zahlreich :-)

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