Ein toter Lehrer - Traurige Realität statt Fiktion


"Wenn sie dich auf dem Kieker haben, dann bist du für alle anderen Luft, sogar für deine besten Freunde, und in diesen Tagen... in dieser ganzen Zeit kannst du von Leuten umgeben sein, von deinen Freunden, von Leuten, die du dafür gehalten hast, und die Sonne kann scheinen, und du kannst eine Million Pfund einfach so auf der Straße finden, und trotzdem kommst du dir vor wie der jämmerlichste, unglücklichste und einsamste Mensch der Welt."

An einem brütendheißen Sommertag geht der Lehrer Samuel Szajkowski in die vollbesetzte Schulaula - und erschießt drei Schüler und eine Lehrerin, anschließend richtet er sich selbst. Der Fall scheint klar zu sein, schließlich ist der Schuldige tot, doch die Ermittlerin Lucia May will den Fall trotz Drängen ihres Vorgesetzten nicht so schnell zu den Akten legen. Während ihrer Ermittlungen offenbart sich immer mehr, dass Szajkowski unter massiven Angriffen der Schüler zu leiden hatte und scheinbar nicht das einzige Opfer war. Wer trägt also wirklich Schuld an dieser Tragödie? Der Lehrer, der vier Menschen umbringt? Oder die Schule, die den immer schlimmer werdenden Schikanierungen durch die Schüler keinen Riegel vorgeschoben hat?



Während ich dieses Buch las, erregte wieder einmal ein schlimmer Vorfall an einer Berliner Schule Aufsehen. Ein Schüler wurde von 17 anderen Mitschülern auf dem Schulhof ins Koma geprügelt, weil er seine Freundin vor deren Mobbing beschützen wollte. Traurig passend. Denn Mobbing ist auch das Hauptthema dieses Buches. Es beginnt mit harmlos erscheinenden Witzen, fiesen Spitznamen und endet mit körperlichen Angriffen und einem Nervenzusammenbruch, nicht selten Selbstmord.

Als Lehrer hat man kaum Möglichkeiten, sich gegen die Schikanen der Schüler zu wehren, wenn man keine Unterstützung von Kollegen oder der Schulleitung bekommt. Mehr als einmal war ich von der im Buch geschilderten Grausamkeit der Schüler und auch Lehrer geschockt, umso mehr, da dies an vielen deutschen Schulen keine Fiktion ist. Lehrer werden angespuckt, beschimpft und bedroht, Schüler posten im Internet auf Gossipseiten übelsten Tratsch und machen ihre Mitschüler fertig.

Genug zum allgemeinen Thema, ich möchte noch etwas näher auf das Buch eingehen. In der Kriminalliteratur begegnet man immer wieder Hauptcharakteren, die scheinbar nie ein intaktes Privatleben haben. Die meisten Kommissare, Detectives und Polizisten in der Literatur sind Single, unglücklich über die Ungerechtigkeit und Korruption in ihrem Beruf und sehnen sich nach einem Hund oder einer Katze, um überhaupt jemanden zu haben, der sich auf ihr Nachhausekommen freut. Mit so einem Fall haben wir es auch hier zu tun: Lucia May ist Anfang dreißig, Single und mit ihrer Arbeit nicht zufrieden. Ständig muss sie sich die Anzüglichkeiten ihrer männlichen Kollegen gefallen lassen und die Kritik des Chefs an ihrer Arbeit. Mit der Zeit erkennt sie, dass sie mehr mit dem Mörder Szajkowski gemein hat, als ihr lieb ist, denn auch sie selbst wird immer wieder Opfer von Mobbingattacken. 

Die ganze Geschichte wirkt erschreckend real und findet sich oft genug im Alltag wieder, allerdings fand ich es etwas überspitzt dargestellt, dass neben den Lehrern und Schülern auch noch die Ermittlerin selbst unter Mobbing zu leiden hat, die sich wie auch die anderen Opfer nicht wehrt. Es zeigt zwar, dass nicht jeder Ermittler so taff und abgebrüht ist, wie es uns die meisten Krimis vormachen und das empfand ich als erfrischende Abwechslung. Trotzdem wirkte es für mich etwas wie "zuviel des Guten", als würde der Autor zeigen wollen, dass es jeden treffen kann, was jedoch auch so klar geworden ist.

Im Gesamten betrachtet hat Simon Lelic mit diesem Buch aber einen sehr spannenden Roman über ein brisantes Thema abgeliefert. Die Erzählung verwebt dabei Zeugenaussagen von Arbeitskollegen und Schülern, die den Lehrer Szajkowski aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchten, mit Mays eigener Perspektive und so offenbart sich langsam die ganze Geschichte. Und irgendwann ertappt man sich selbst dabei, dass man Mitleid für den Mörder zu empfinden beginnt.

Mein Fazit: "Selten war ein unblutiges Buch so grausam", schrieb Sebastian Fitzek über "Ein toter Lehrer" und dem kann ich mich auf ganzer Linie anschließen. Es ist ein emotional aufwühlendes Buch, dass einen von der ersten Seite an packt und nicht mehr loslässt. 

Ein toter Lehrer - Simon Lelic
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Droemer (14. März 2011)
ISBN-10: 342619869X
Preis: 16,99 Euro

Willis Fazit:





4 Kommentare:

  1. Na, das klingt definitv nach einem Buch für mich - nicht nur, weil ich selbst aus der Branche komme :o)))

    DANKE für den Tipp!

    LG,
    JED

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  2. Das Buch steht schon lange auf meiner Wunschliste - dank deiner tollen Rezension weiß ich jetzt, dass das auf jeden Fall mein nächster Kauf sein wird ;)

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  3. Ich bin ja gar nicht so der Krimileser, aber das hier klingt schon echt brisant und spannend.

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  4. Hi,
    ich hab das Buch auch vor kurzem gelesen und rezensiert. Mich hat es auch sehr bewegt.
    Ein absoluter Buchtipp von mir.
    LG ELa

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