Todesengel - Interessantes Gedankenspiel rund um Selbstjustiz und Gewalt


Als ein alter Mann behauptet, dass ihn ein Engel vor einer tödlichen Prügelattacke gerettet hat, indem dieser seine Angreifer erschossen hat, hält die Polizei es zu Beginn noch für einen Scherz. Doch plötzlich zeigt sich dieser Engel immer öfter, vereitelt Gewalttaten und erschießt die Angreifer. Und während die Polizei fieberhaft nach dem sogenannten Racheengel sucht, rückt der Journalist Ingo Praise, der schon immer für das Thema Selbstjustiz gebrannt hat, plötzlich mit einer Talkshow in den Fokus der Aufmerksamkeit, in der er den Opfern von Gewalttaten eine Stimme verleiht und den Racheengel als Streiter für die Gerechtigkeit präsentiert. Bis die Situation plötzlich eskaliert...


Meine Meinung

Ich bin ein großer Fan von Andreas Eschbachs Büchern, da er mich immer wieder mit seinen vielfältigen Ideen und seinen interessanten und oft auch kritischen Gesellschaftsbetrachtungen begeistern und zum Nachdenken anregen kann. Deshalb musste ich nun auch zu Todesengel greifen, in dem das Thema Gewalt und Selbstjustiz betrachtet wird. Wer in einer Großstadt lebt, ist sie gewohnt - die fast schon täglichen Meldungen von Gewalttaten, die in U-Bahnhöfen oder auf offener Straße begangen werden. In Todesengel spinnt Eschbach ein interessantes Szenario: was wäre, wenn ein Unbekannter sich diese Gewalttäter vorknöpfen und mit der Härte durchgreifen würde, die die Rechtssprechung in unseren Augen oft vermissen lässt?

Vor dem Hintergrund eines spannenden Kriminalfalls führt uns Eschbach die Missstände unserer Gesellschaft anschaulich vor Augen. Warum werden Staftäter zeitweise regelrecht mit Samthandschuhen angefasst und Entschuldigungen für ihre brutalen Taten gesucht? Warum zählt ihr Wohlergehen und ihre Reintegration in die Gesellschaft mehr als die Belange ihrer Opfer? Und ist Selbstjustiz wirklich so verwerflich, wenn das Gesetz eher Täter als Opfer schützt?

Den Wunsch nach Selbstjustiz hat bestimmt jeder schon einmal heimlich empfunden, wenn er von so manch einem ungerechten Justizurteil hört, bei dem der Straftäter viel zu leicht wegkommt, sein Opfer aber für den Rest seines Lebens geschädigt bleibt. Dieser Wunsch wurde hier genauer unter die Lupe genommen und ich musste mich beim Lesen öfter dabei ertappen, wie ich "Ja genau, das beschreibt es treffend" gedacht habe. Deshalb hat mich das Buch auch emotional sehr mitgenommen und an die Seiten gefesselt.

Eschbach betreibt hier trotz des kontroversen Themas keine reine Schwarz-Weiß Malerei, denn er beleuchtet das Thema von unterschiedlichen Seiten und lässt die diversen Charaktere dabei ablehnende, verständnisvolle, aber auch radikale Stimmen vertreten. Durch diese unterschiedlichen Betrachtungswinkel kann man sich als Leser seine eigene Meinung zum Thema bilden; was richtig oder falsch ist, das gibt Eschbach einem hier nicht vor. Auch wenn die Hauptcharaktere wie der Kommissar Ambick oder der Journalist Praise zeitweise sogar Verständnis für das mörderische Treiben des Racheengels zeigen und eine eher postive Haltung zur Selbstjustiz vertreten, blitzt im Verlauf der Geschichte aber doch immer mehr die Schattenseite der Selbstjustiz hervor, bis zum hochdramatischen und tragischen Finale.

Kurz und gut: Eschbach präsentiert uns in Todesengel nicht nur einen sehr spannenden Kriminalfall mit sympathischen Charakteren, sondern auch ein interessantes Gedankenspiel, welches mich sehr zum Nachdenken gebracht hat.  

Taschenbuch: 544 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch)
Auflage: 1. Aufl. 2015 (18. Juni 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3404172388



4 Kommentare:

  1. Hallo,

    Andreas Eschbach kann mich auch immer wieder begeistern! Seine Ansätze sind immer sehr spannend. Ich freue mich immer wieder, wenn was neues von ihm kommt.

    lg
    Marie

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    1. Hi Marie, so geht es mir auch, auch wenn ich bei manchen Büchern dann am Schluss mit der Auflösung etwas unzufrieden war.

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  2. Hey Süße,

    mit Eschbach muss ich mich auch mal mehr beschäftigen. Bis jetzt bin ich nur drumherumgeschlichen.

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    1. Huhu, Eschbach hab auch eine tolle Jugendbuchreihe geschrieben, falls das eher was für dich ist: "Das Marsprojekt". Band 1 ist "Das ferne Leuchten".

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