Heute möchte ich euch (wieder einmal :-D) ein Buch von Neal und Jarrod Shusterman empfehlen: Roxy - Ein kurzer Rausch, ein langer Schmerz. Und darum geht es:
Broschierte Ausgabe | 448 Seiten | Sauerländer Verlag | Übersetzung: P. Kurbasik, K. Lutze | ab 14 Jahren |
"Armer Isaac. Du brauchst jemanden, der dir den Schmerz nimmt. Nicht nur den Schmerz in deinem Knöchel, sondern den schrecklichen Schmerz, der sich tief in dich frisst bis zu einem Ort, den du nicht mehr erreichen kannst. Ich kann ihn aber erreichen. Das mache ich auch. Ich fülle diesen Ort derart vollständig auf, dass der sich so stark dehnt wie dein Magen an Thanksgiving. Um ihn dann besonders leer zurückzulassen, wenn ich wieder weg bin." (S. 73)
Isaac ist absolut gebannt, als er die faszinierend schöne Roxy kennnlernt. Schnell wirft sie seine sorgsam durchdachten Pläne über den Haufen und wird zum neuen Mittelpunkt seines Lebens. Während er nach und nach immer mehr die Verbindung zu seinem alten Leben verliert, gelingt es seiner Schwester dagegen endlich, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen dank ihres disziplinierten neuen Freundes Addison. Was die Geschwister jedoch nicht ahnen: Roxy und Addison sind Drogen, die einen tödlichen Wettstreit miteinander führen...
Neal Shusterman ist für mich ein Garant für außergewöhnliche Buchideen, verpackt in unheimlich fesselnde Geschichten. In seinem neuesten Werk, welches er erneut zusammen mit seinem Sohn Jarrod geschrieben hat, verleiht er Drogen eine menschliche Gestalt und zeigt, wie leicht sie sich in das Leben eines Menschen schleichen können. Dabei nehmen sich die Autoren der Drogenthematik mit dem nötigen Ernst an, schaffen es aber trotzdem, eine sehr fesselnde Geschichte mit Unterhaltungsfaktor zu erzählen - typisch Shusterman eben.
Als sich Isaac den Knöchel verstaucht, wirkt es zunächst nur wie eine Lapalie. Bis die Verletzung droht, seine Chancen auf ein Sportstipendium zunichte zu machen. Kein Wunder, dass die kleine Schmerztablette, die seine Großmutter ihm überlässt, einem Segen gleichkommt, dank dem er doch wieder aufs Spielfeld kann. Und so tritt Roxy in sein Leben. Für Isaacs Schwester Ivy dagegen kommt es einem Weckruf gleich, als sie erfährt, dass sie ihren Schulabschluss wohl nicht schaffen wird. Endlich erklärt sie sich einverstanden, die Tabletten zu nehmen, die der Psychologe ihr schon vor langer Zeit empfohlen hat, um sich konzentrieren zu können. Und dank der Hilfe von Addison scheint plötzlich nichts mehr im Leben unmöglich zu sein...
In "Roxy: Ein kurzer Rausch, ein langer Schmerz" geraten zwei Geschwister in einen tödlichen Rivalitätskampf zweier Substanzen, Roxy (Oxycodon) und Addison (Adderall), die herausfinden wollen, wer von beiden einen Menschen eher "bis zum Ende" begleiten kann, ohne dass ein anderes Familienmitglied ihnen vorher den Platz streitig macht. Dass dieser Wettstreit für eins der Geschwister nicht gut ausgeht, wird direkt im Prolog deutlich, als wir miterleben müssen, wie Wiederbelebungsversuche der Rettungssanitäter scheitern. Nicht zu wissen, wen von beiden es treffen wird, hat natürlich die Spannung hochgehalten und obwohl ich mir Isaacs und Ivys Schicksale genau deswegen eigentlich nicht zu Herzen nehmen wollte, habe ich doch sehr mit beiden mitgefühlt und am Ende einen dicken Kloß im Hals gehabt.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der Geschwister, als auch aus der Sicht von Roxy und Addison erzählt. Es war sehr spannend, die Gedankengänge der Drogen zu verfolgen, die selbst teilweise mit dem Widerspruch zwischen ihrem Missbrauch und ihrem eigentlichen Zweck hadern. Denn zumindest Roxy und Addison wurden einst aus wohlgemeinten Gründen zur Behandlung von Schmerzen oder ADHS erschaffen, bevor ihr Suchtpotenzial erkannt wurde. Ich hatte etwas befürchtet, dass durch die Vermenschlichung der Drogen eine gewisse Verharmlosung stattfinden würde, dass man Sympathie mit ihnen aufbauen würde. Hier ist es den Shustermans allerdings gut gelungen, die Ambivalenz von Roxy, Addison und ihren diversen Familienmitgliedern zu verdeutlichen und so sind die Geschwister Ivy und Isaac die eigentlichen Sympathieträger der Geschichte.
Anhand ihrer Schicksale zeigen die Autoren, wie schnell man in eine Substanz-Abhängigkeit geraten und wie schwer der Weg aus der Abhängigkeit sein kann. Und gerade das Beispiel vom stets braven, regeltreuen Isaac hat gezeigt, dass Vernunft allein kein Schutzfaktor gegen eine Drogensucht ist. Dabei lassen die Shustermans aber die wirklich dunklen Aspekte, die teilweise mit der Drogensucht einhergehen, wie Prostitution oder Diebstahl aus Geldnot, außen vor - wohl auch, weil das für ein Jugendbuch zu heftig geworden wäre. Aber auch so wird die Dramatik einer Drogensucht klar und das Buch bietet jede Menge Stoff zum Nachdenken und Aufrütteln.
Von daher kann ich auch das neueste Buch von Shusterman und Sohn wieder einmal nur wärmstens empfehlen. Denn auch wenn es keine leichte Wohlfühllektüre ist, ist es doch ein echt wichtiges Buch, dass dabei hilft, auf leicht zugängliche Art für das Thema Drogenmissbrauch zu sensibilisieren.
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