Das Blut der Lilie - Es lebe die Revolution!


"Jetzt sehe ich auf den Temple hinüber und weiß, dass Louis Charles dort im Sterben liegt. Allein. Im Dunkeln. Voller Angst. Und gleichzeitig dreht die Welt sich weiter. Leute schlafen. Träumen. Streiten sich. Sie bleibt nicht stehen, diese Welt. Nicht jetzt in Paris. Nicht Jahre später in Brooklyn."

Seit dem tragischen Tod ihres kleinen Bruders ist für Andy nichts mehr, wie es war. Ihr Vater lässt sich kaum mehr blicken, ihre Mutter hat sich vollkommen in sich selbst zurückgezogen und Andy bewältigt ihren Alltag nur noch mit starken Tabletten. Mehr als nur einmal stand sie kurz davor, Selbstmord zu begehen – weil sie sich selbst die Schuld am Tod ihres Bruders gibt.

Doch auf einer Reise nach Paris findet sie ein 200 Jahre altes Tagebuch, welches die Geschichte von Alexandrine erzählt, einem Mädchen, welches 1789 zur Spielgefährtin des Königssohnes Louis Charles ernannt wird. Alex liebt den Jungen abgöttisch, kann aber nicht verhindern, dass die Französische Revolution die Königsfamilie vernichtet. In Alexandrine findet sich Andy selbst wieder – und lernt langsam, ihr Leben weiterzuleben…




Historische Romane gehören eigentlich nicht ganz in mein Beuteschema und hätte StefanieEmmy von "Daydreaming and Dreaming" das Buch nicht wärmstens empfohlen, hätte es meine Aufmerksamkeit wohl nicht unbedingt auf sich gezogen. Glück gehabt, denn so hätte ich fast ein echt schönes Buch verpasst. „Das Blut der Lilie“ erzählt eine berührende Geschichte über Schmerz und Verlust, Trauer und Wiedergutmachung und vermischt dabei Heute und Damals, Fiktion und historische Tatsachen. Angesiedelt ist die Geschichte irgendwo zwischen Jugend- und Erwachsenenbuch, zwischen Gegenwart und der Zeit der Französischen Revolution. Der Zeit von Marie Antoinette, dem Sturm auf die Bastille und dem Untergang der Monarchie in Frankreich; einem der spannendsten Kapitel der Menschheitsgeschichte.

Die Geschichte beginnt in der Gegenwart, in Brooklyn. Seit dem Tod ihres kleinen Bruders kommt Andy immer weniger mit ihrem Leben klar, ihren Alltag und die Schule bewältigt sie nur noch unter starkem Medikamenteneinfluss. Auch ihre Eltern können ihr nicht helfen, denn der Vater ist nie da und die Mutter in ihrer eigenen Traumwelt gefangen. Trost findet Andys einzig in ihrer Musik. Sie spielt leidenschaftlich gern Gitarre und drückt so ihre Trauer um ihren Bruder aus. Doch als Andy droht, wegen schlechter Leistungen von der Schule zu fliegen, nimmt ihr Vater sie mit nach Paris, wo sie in drei Wochen ihre Abschlussarbeit schreiben soll, während er selbst mit der genetischen Analyse eines uralten, konservierten Herzens beschäftigt ist – das vermutete Herz des Königssohnes Louis Charles, der Sohn von Ludwig XVI und Marie Antoinette. 
Andy will eigentlich einfach nur ihre Ruhe. Doch dann findet sie das lange verschollene Tagebuch von Alexandrine, die vor 200 Jahren die Spielgefährtin eben jenes Königssohnes war....

Im Jahr 1795 erfahren wir durch Alexandrines Tagebuch, dass die Forderung des Volkes nach "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" nicht für alle galt. Der Adel wurde, nachdem der König gewaltsam entmachtet wurde, grausam verfolgt und Tausende fanden dank Robespierre durch die Guillotine den Tod. Wer sich der Revolution nicht anschloss, musste um sein Leben fürchten. In dieser gefährlichen Zeit versucht Alexandrine, ein armes Schaustellermädchen, immer nur, den kleinen Königssohn vor der grausamen Welt zu beschützen. Sie soll den Königssohn unterhalten. Anfangs tut sie das, ohne etwas für das Kind zu empfinden. Sie rechnet sich einfach nur steile Aufstiegschancen aus, wenn die Königin mit ihr zufrieden ist. Doch mit der Zeit wächst ihr der Junge ans Herz, bis sie schließlich ihr eigenes Leben für ihn riskiert.

"Das Blut der Lilie" ist ein sehr trauriger, herrlich gefühlvoll erzählter Roman, der sich gar nicht so einfach einordnen lässt. Die Schilderungen der Lebensumstände im 18. Jahrhundert sind sehr detailliert, aber trotzdem leicht verständlich. Ein reiner historischer Roman ist es jedoch nicht, da die Erzählerin immerhin aus der heutige Zeit stammt und am liebsten Musik auf ihrem iPod hört. Gleichzeitig ist es ein Roman, der durch Andys großes Interesse für vergangene und heutige Musikkünstler einen Einblick in die Musikgeschichte gibt, aber auch eine zarte Liebesgeschichte erzählt. Die Mischung hört sich vielleicht etwas merkwürdig an, aber Jennifer Donnelly hat alles wunderbar unter einen Hut gebracht.


Und sie versteht es wirklich gut, Gefühle zu vermitteln. Auch auf mich selbst hat Andys Trauer beim Lesen oftmals abgefärbt, ich habe nachvollziehen können, wie sie sich fühlt, wenn sie am Rande eines Daches steht und überlegt, zu springen, oder sich verzweifelt wünscht, in der Zeit zurückgehen zu können und die Ereignisse zu ändern. Das Erzähltalent der Autorin zeigt sich nicht nur in ihrer Fähigkeit, glaubhafte Charaktere und mitreißende Gefühle zu beschreiben, sondern auch darin, wie einfach und verständlich sie die historischen Fakten um die Französische Revolution vermitteln kann. Sowohl Liebhaber historischer Romane als auch Neulinge in diesem Genre dürften so an diesem Buch ihren Gefallen finden.
Das Buch ist gleichermaßen für jugendliche wie ältere Leser geeignet, und die Vermischung verschiedener Genrearten ist echt toll gelungen. Wer nach einem Roman voller tiefgehender Gefühle und einer faszinierenden Geschichte sucht, wird mit "Das Blut der Lilie" einige schöne Lesestunden erleben.  


Das Blut der Lilie - Jennifer Donnelly
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten 
Verlag: Pendo (Februar 2011)
ISBN-10: 3866122888
Preis: 19,95 Euro 

Willis Fazit:



1 Kommentar:

  1. Ich habe vor Jahren mal "Die Teerose" von Jennifer Donnely gelesen und war eigentlich begeistert. "Das Blut der Lilie" trifft von der Thematik her sogar noch eher meinen Geschmack und landet, dank deiner tollen Rezi, auf meiner WuLi :)

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