Wir wollten nichts, wir wollten alles - Geht wirklich unter die Haut!


"Selbstmord, denkt er. Selbstmord ist eine Möglichkeit, wenn man krank oder einsam ist, aber doch nicht für zwei gesunde junge Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben. Hübsch, intelligent, verliebt. Und wieder wallt die Wut in ihm auf. Zum Teufel noch mal, wieso sind sie bloß auf diese Idee gekommen?" (S. 248)

Mit Handschellen aneinandergefesselt, so werden Liam und Louise tot aus dem Limfjord gezogen. Für ihre Eltern bricht eine Welt zusammen. Wieso haben die beiden Teenager, die doch so glücklich miteinander wirkten, Selbstmord begangen? Oder war es gar kein Selbstmord? Getrieben von Wut und Verzweiflung macht sich Louises Vater auf, die Wahrheit herauszufinden. Doch was er finden wird, ist schmerzhafter, als er sich je hätte vorstellen können. Durch ihr Tagebuch soll er die ganze Geschichte von Liam und Louise erfahren. Vom ersten Moment an ist es die große Liebe, verrückt, dramatisch, nie endend. Eine bedingungslose Liebe, bis in den Tod...



                                                              Meine Meinung                                                             

"Als sie uns aus dem Limfjord ziehen, hängen wir noch immer aneinander." (S. 7)

Manche Bücher beeindrucken mich einfach mehr als andere, beschäftigen mich nachhaltiger und gehen unter die Haut. Zu diesen Büchern zählt Wir wollten nichts, wir wollten alles. Die Handlung wird aus Sicht der toten Louise erzählt, die rückblickend ihre und Liams Geschichte vor uns aufrollt und schildert, wie es bis zu dem gemeinsamen Selbstmord gekommen ist. Und glaubt mir, dieses Geschichte ist kein romantisch verklärtes Märchen voller warmer Gefühle, sondern erzählt eine brutale, ehrliche und manchmal auch hässliche Geschichte zweier Teenager, deren Liebe einen denkbar tragischen Verlauf nimmt. Wer heftige Themen nur schwer ertragen kann, sollte von dem Buch vielleicht lieber Abstand nehmen.

Die siebzehnjährige Louise ist ein eher unauffälliges Mädchen, bis sie auf Liam trifft. Sie stammt aus gutbürgerlichem Hause, macht keinen Ärger und führt ein eher langweiliges Leben. Liam dagegen sprüht vor Charme, raucht gerne mal ein Tütchen und treibt sich nicht unbedingt in bester Gesellschaft herum. Trotz der Unterschiede zwischen ihnen scheinen sie wie füreinander bestimmt und es ist Liebe auf den ersten Blick. Jede freie Minute verbringen sie miteinander, bis es fast schon einem Wunder gleicht, wenn man sie einmal getrennt voneinander antrifft. Da ist es doch nur verständlich, dass Louise zu ihm hält, als Liam Probleme kriegt, oder?

Wir wollten nichts, wir wollten alles ist ein wirklich überzeugendes und beeindruckendes Jugendbuch, welches mich wohl gerade deshalb so überzeugt hat, weil die Geschichte erschreckend realistisch wirkt, als könnte sie genau so irgendwo gerade passieren. Wer eine romantische Liebesgeschichte erwartet, dürfte eher enttäuscht werden, denn mit der Liebesgeschichte der beiden geht es ziemlich schnell bergab. Was vor allem an Liam liegt, zu dem ich beim Lesen ein gespaltenes Verhältnis hatte. Er ist ein widersprüchlicher Charakter, einerseits großer romantischer Held, andererseits auch klar derjenige, der die Beziehung in einen düsteren Abgrund treibt. So erleben wir im Laufe der Geschichte mit, wie sich beide ziemlich stark verändern, und ihre Gefühlslage immer wieder schwankt. Auch das hat nur noch mehr zu meinem Eindruck beigetragen, hier eine wirklich reale, aus dem Leben gegriffene Geschichte zu lesen.  

Das Buch erzählt dabei nicht nur die Tragödie der beiden Jugendlichen, sondern zeigt auch, wie getroffen ihre Eltern reagieren; wie sich Louises Vater wütend auf die Suche nach einem Schuldigen macht und ihre Mutter, zu der Louise nicht gerade das beste Verhältnis hatte, allein in ihrer Trauer versinkt. Die Szenen fand ich emotional sogar noch rührender und packender als die von Liam und Louise. Die heftige Thematik von Tod, Trauer und der Verzweiflung, die überhaupt erst dazu geführt hat, wird durch die beiden Autoren sehr sensibel behandelt, aber auch ohne irgendwas zu beschönigen. Selbstmord wird hier nicht romantisiert, sondern mit all seinen Schattenseiten dargestellt, was ich richtig gelungen fand. 

Einziger Wermutstropfen für mich: aus meiner Sicht war der Selbstmord nicht ihr einziger Ausweg. Natürlich lässt sich sowas immer leicht bei der Sicht von Außen behaupten, denn ich stecke nun mal nicht in der Situation und kann es aus rationaler Sicht betrachten. Trotzdem hat mich ihr Tod gerade deshalb einfach so wütend und traurig gemacht. Wütend, dass zwei junge Menschen keinen anderen Ausweg mehr gesehen haben und die Geschichte so einen tragischen Ausgang nimmt, auch wenn ich den ja von Anfang an kannte.

Aber daran man sieht auch, dass mich das Buch emotional wirklich sehr mitgenommen und beschäftigt hat. Die Geschichte endet trotz allem mit einem gewissen Hoffnungsschimmer und lässt einen deshalb nicht ganz deprimiert zurück. Am Tod von Liam und Louise ändert sich natürlich auch am Ende nichts, doch wie für Louises Vater hat auch für mich das Wissen um die Wahrheit irgendwie einen mildernden Effekt, der einen mit der Geschichte abschließen lässt. Unbedingt empfehlenswert! 

Wir wollten nichts. Wir wollten alles - S. M. Jensen / G. Ringtved
Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
Verlag: Oetinger (20. Januar 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3789139203


3 Kommentare:

  1. Hallo,

    danke für deine wundervolle Rezension, das Buch kommt gleich auf meine Wunschliste.

    Liebe Grüße
    Sabine

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  2. Hallo!
    Sehr schöne Rezension. Ich hab das Buch schon zuhause, mich aber noch nicht getraut es zu lesen bzw. war noch nicht in der richtigen Stimmung dazu.

    Liebe Grüße
    Doris

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  3. huhu! Schöne Rezension, habe das Buch vor Kurzem beendet und ich stimme dir da absolut zu! Es ist in keinster Weise beschönigend und auch nicht zu dramatisch, ich stimme dir da absolut zu, die beiden hätten sich Hilfe suchen sollen und es ist echt heftig, wie es ausgegangen ist.
    Liebe Grüße,
    Rachel von www.chellushsbookworld.blogspot.de

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