Neva - nur eine weitere Jugenddystopie?

"Ich werde hier unten sterben. Niemand wird je erfahren, was mit mir passiert ist, und ich werde nie herausfinden, was sich dort draußen auf der anderen Seite befindet. Das kann unmöglich das Ende sein. Ich hatte es doch beinahe geschafft."

Neva lebt in einer Welt, die sich seit der Zeit des Terrors unter die schützende Protektosphäre zurückgezogen hat, die sie von dem Draußen abschirmt. Außerhalb, so heißt es, gibt es kein Leben mehr, nichts als giftige Toxine und verseuchtes Land. Doch statt beschützt fühlt sich Neva eher eingesperrt, denn die Regierung überwacht das Leben der Gemeinschaft sehr genau. Jugendliche werden angehalten, zeitig Kinder zu bekommen um Heimatland mit neuen Bewohnern zu versorgen; nonkonformes, unpatriotisches Verhalten wird mit Umerziehungsseminaren und Arbeit auf der Gemeinschaftsfarm bestraft und mittlerweile wird selbst die Berufswahl vom Staat vorgeschrieben.
Neva und ihre Freundin Sanna wollen das nicht hinnehmen und planen ihren Protest: die Protektosphäre soll geöffnet werden. Bei einer Dunkelparty treffen sie sich mit Gleichgesinnten und beschließen, sich der Regierung zu widersetzen. 

Doch im Schutz der Dunkelheit kommt es zu einem verbotenen Kuss zwischen Neva und Braydon, Sannas Freund, zu dem sie sich fast unwiederstehlich hingezogen fühlt. Ausgerechnet er ist es, der die Freundinnen angesichts der Konsequenzen von ihrer Rebellion abzubringen versucht. Schon bald muss Neva erkennen, dass er mit seinen Einwänden Recht haben könnte, denn kurz nach ihrer ersten Protestaktion verschwinden ihre Freunde spurlos und auch Neva wird von der Regierung verhört. Der Überwachung durch Heimatland kann scheinbar niemand entkommen...

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Meine Meinung

Neva. Schneeflocke. Jede ist einzigartig, keine sieht aus wie die andere. Wie unpassend der Name erscheint in einer Gesellschaft, in der fast jeder seinem Nächsten so ähnlich sieht, als wären sie Geschwister. Durch das Eingeschlossensein unter der Protektosphäre haben sich die Gene der Bewohner im Laufe der Jahrzehnte so sehr vermischt, dass die Menschen alle gleich aussehen, ein Ziel der Regierung, um Ungerechtigkeiten aufgrund von Unterschieden zu unterbinden. Doch Neva ist anders; ein Tattoo in Form einer Schneeflocke macht sie einzigartig und steht für ihren Protest gegen die Regierung.

Neva stand auf meinem Wunschzettel, seit damals das neue PAN-Frühjahrsprogramm veröffentlicht wurde. Da Dystopien zu meinen Lieblingsbüchern zählen und der Jugendbuchmarkt in diesem Bereich gerade boomt, waren meine Erwartungen an Neva sehr hoch. 
Nachdem ich die ersten Seiten gelesen hatte, war ich jedoch noch nicht sonderlich überzeugt. Überwachung des Einzelnen, unliebsame Fakten oder Personen werden aus den Geschichtsbüchern gelöscht und Personen verschwinden spurlos. Ich habe einfach schon zu viele Dystopien gelesen, um davon schockiert oder überrascht zu sein, denn solche Elemente wie das Einsperren der Bevölkerung zum Schutz vor dem "Draußen" oder auch die Zensur der Presse sind einfach Bestandteil fast jeder Dystopie. So kam bei mir der Eindruck auf, das alles schon mal gelesen zu haben. Aber dafür kann dieses Buch letztlich nichts und man muss das Rad ja auch nicht immer wieder neu erfinden. 

Je weiter ich gelesen habe, desto mehr bekam ich den Eindruck, dass Sara Grant es aber trotzdem geschafft hat, der Geschichte einen eigenen Anstrich zu verpassen. Dabei legt sie den Fokus auf Nevas Protest und ihren Fluchtversuch aus der Protektosphäre und weniger auf die verbotene Liebe zwischen ihr und Braydon, was mir gut gefallen hat, denn das Buch ist einfach mehr als nur eine dramatische Teenie-Liebesgeschichte und hätte diesen Stempel nicht verdient. Trotzdem verleiht die heimliche Beziehung der beiden dem Buch noch zusätzliche Spannung und Würze, obwohl das Buch meiner Meinung nach sogar ganz ohne Liebesgeschichte ausgekommen wäre.

Gerade in Hinsicht auf Braydons Charakter ist mir ein kleines Manko des Buches bewusst geworden. Und zwar hätte die Geschichte ruhig noch 100-200 Seiten mehr haben können. Oftmals hatte ich nämlich das Gefühl, dass viele Aspekte nur angerissen werden und ich gerade mal einen kleinen Blick drauf werfen konnte. So ist es auch bei Braydon oder Nevas Eltern, allesamt sehr interessante Charaktere, über die ich einfach gerne noch mehr erfahren hätte, denn jeder von ihnen trägt das eine oder andere Geheimnis mit sich rum.

Wo die Geschichte eher langsam und ruhig mit der Dunkelparty beginnt, nimmt sie am Ende immer mehr Fahrt auf und rast dem Finale entgegen. Und auch wenn mir vieles aus anderen Dystopien bekannt vorkam, konnte mich Sara Grant am Schluss noch einmal überraschen und an die Seiten fesseln.  

Trotzdem muss ich gestehen, dass ich anfangs etwas verärgert war, nachdem ich das Buch beendet hatte,  weil ich gern noch so viel mehr über das Leben in der Protektosphäre und dem Außerhalb erfahren hätte. Doch leider hat Sara Grant quasi an der spannendsten Stelle Schluss gemacht und lässt auch keine Aussicht auf eine Fortsetzung. Was nun wirklich außerhalb der Protektosphäre liegt, erfährt man nicht und gerade diese Frage quält nicht nur Neva, sondern auch den Leser. Schade, dass die Autorin uns gerade hier hängen lässt. Wie schon gesagt, ein paar Seiten mehr hätten dieser Geschichte noch zusätzliche Tiefe verleihen und ein paar Mysterien mehr klären können. Aber abgesehen davon, dass mir noch einige Fragen unbeantwortet im Kopf herumschwirren, hat mir das Ende im Nachhinein doch gut gefallen.
Ich hoffe trotzdem, dass ihr nächstes Buch wenigstens im selben Universum spielen wird, denn dann erfährt man vielleicht doch noch etwas mehr über Nevas Welt und wie es mit ihr weitergeht, wenn auch nicht aus ihrer Sicht.

Im Gesamten betrachtet hat mir das Buch trotz kleiner Schwächen sehr gut gefallen. Dystopie-Neulinge werden sicherlich restlos begeistert sein.

Neva - Sara Grant
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: PAN (14. März 2011)
ISBN-10: 3426283484
Preis: 16,99 Euro

Willis Fazit:




Vielen Dank an den PAN-Verlag für das Rezensionsexemplar!


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6 Kommentare:

  1. Droemer Knaur ruft auf http://www.facebook.com/fantasy.buch zum Weiterschreiben der Geschichte auf. Die kreativsten RPG-Beiträge werden mit einem ipod Nano und Buchpaketen belohnt.

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  2. Hört sich an wie "Twilight meets 12 Monkeys". Könnte mich interessieren. Danke für die Rezi - super Buchtipp. LG, Katarina :)

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  3. @Katharina: Wie Twilight ist das Buch ganz und gar nicht. Versprich dir nichts falsches davon ^^

    @Friedelchen: Deine Rezension trifft es richtig gut. Das mit der Liebesgeschichte sehe ich ganz genauso, die hätte eigentlich gar nicht sein müssen. Aber so wie sie war - eher im Hintergrund - hats auch gut gepasst.
    Braydon hat mich eigentlich das ganze Buch über nicht sonderlich interessiert, erst dann am Ende als das (du weißt schon was ^^) über ihn rauskommt. Du hast Recht, das hätte Grant ruhig noch etwas vertiefen können.

    Ist es sicher, dass es keine Fortsetzung gibt? Mir passt das Ende eigentlich so, weiß auch gar nicht, ob ich eine Fortsetzung lesen würde wollen. Die Geschichte aus einer anderen Perspektive fortzuführen wär sicher eine ganz passable Idee. :)

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  4. Bei der Leipziger Buchmesse wurde ihr wohl die Frage nach einer Fortsetzung gestellt und sie meinte, dass sie keine geplant hat. Aber ihr naechstes Buch soll auch eine Dystopie sein.
    Stimmt, Braydon war eigentlich recht uninteressant und blieb etwas farblos.

    @Katarina: Wenn du nach einer gefuehlvollen Liebesgeschichte suchst ist Neva eher ungeeignet. Aber es ist trotzdem eine tolle Geschichte

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  5. kleinerBücherwurmMittwoch, Mai 23, 2012

    Ich hab deinen Blog vor kurzem aus Zufall entdeckt und find ihn richtig toll!
    Ich hab Neva auch gelesen und find es ganz OK. Die Geschichte war an sich gut aber bin ich genau wie du der Meinung, dass man immer nur "kleine Happen" bekommt von dem was noch in der Geschichte hätte passieren können.
    Außerdem hat es für mich schon etwas blöd angefangen, so mitten in die Hnadlung rein (meiner Meinung nach). Aber ansonsten war es gut.

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  6. Mir ist es ganz gleich gegangen, als ich die letzte Seite gelesen hatte, dachte ich mir - und jetzt?! :D Schade, dass sie in der Anthologie "Neva - Tag der Befreiung" anscheinend nicht doch als Kurzgeschichte fortgesetzt wird. Aber so wie ichs verstanden habe, spielt es nur in "Nevas Welt". Werd ich trotzdem irgendwann mal lesen :)

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