Jeder Tag für dich - Keine klassische Liebesgeschichte, dafür mit viel Tiefgang

Heute möchte ich euch einen (Liebes)Roman vorstellen, der ganz anders war, als ich es erwartet habe: Jeder Tag für dich von Abbie Greaves. Und darum geht es:

Broschierte Ausgabe | 400 Seiten | S. Fischer Verlage | Übersetzung: Pauline Kurbasik

"Ihr wurde plötzlich klar, dass sie die Liebe bisher verkehrt herum betrachtet hatte. Sie hatte sich dem Thema von der falschen Seite genähert, sie hatte die Höhenflüge im Blick gehabt und war dabei nicht annähernd dazu gekommen, die Liebe in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Bei Liebe ging es nicht um die Augenblicke, in denen man gemeinsam tanzte, es ging darum, dem anderen aufzuhelfen, wenn er am Boden lag." (S. 274)

Sieben Jahre ist es her, seit Jim von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden ist. Sieben Jahre, in denen Mary jeden Tag am Bahnhof Ealing mit einem Schild in der Hand wartet, auf dem "Komm nach Hause, Jim" steht. Als Alice, Journalistin für ein kleines Blatt, bei dem ihr bald die Kündigung droht, von dieser Geschichte erfährt, ist ihre Neugier geweckt. Sie begibt sich auf Spurensuche und wird dabei nicht nur mit Marys und Jims Liebesgeschichte, sondern auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert...

Ich gebe zu, ich hatte nicht damit gerechnet, dass das Buch solchen Tiefgang hat. Ich hatte mich auf eine gleichermaßen romantische wie auch dramatische Geschichte eingestellt, in der eine Journalistin aufzudecken versucht, warum Marys große Liebe vor sieben Jahren einfach verschwunden ist. Gerade bei den Gründen für Jims Verschwinden hab ich an alle möglichen klischeehaften Gründe gedacht, von Gedächtnisverlust bis zu heimlicher zweiter Familie etc. Doch statt stereotyper Liebesgeschichte liefert uns Abbie Greaves eine einfühlsame Geschichte über psychische Gesundheit, Geheimnisse innerhalb von Beziehungen und über die Kraft und Grenzen der Liebe. 

Die Geschichte beginnt am Bahnhof Ealing, wo Mary jeden Tag nach ihrer Arbeit Stellung bezieht und auf die Rückkehr ihrer großen Liebe Jim wartet. Für beide war es Liebe auf den ersten Blick, und nicht nur ihre Freunde erkannten schnell, dass beide das Beste auseinander herausholen. Was also ist passiert, dass Jim eines Tages spurlos verschwand, obwohl sie einander doch das "Für immer" versprochen hatten? Das versucht Alice herauszufinden, die Mary zufällig am Bahnhof begegnet und gefesselt ist von der Geschichte, die sich hinter der Frau mit dem Schild in der Hand verbirgt. 

Von dieser Ausgangslage aus bewegen wir uns abwechselnd durch die Vergangenheit, wo wir erleben, wie sich Mary und Jim kennenlernen und viele glückliche Jahre miteinander verbringen, und die Gegenwart, wo Mary ihr Leben ohne Jim eher über sich ergehen lässt, als es wirklich zu leben und Alice es sich zur Aufgabe macht, ihn wiederzufinden. Ich muss gestehen, mir war Alice tatsächlich sympathischer als die "eigentliche" Hauptprotagonistin Mary, obwohl sie sich zu Beginn aus ganz eigennützigen Gründen in Marys Leben schleicht, nämlich um ihren Job bei der Zeitung nicht zu verlieren. Doch als sie Mary näher kennenlernt und sieht, wie aufopferungsvoll sie ist und wie sehr sie auch heute noch unter Jims Verschwinden leidet, umso mehr wird es zur Herzenssache für Alice. Sowohl mit Mary als auch Jim und den Beweggründen der beiden bin ich dagegen nicht so richtig warm geworden, weshalb mich Alice' Suche nach der Wahrheit und ihre eigene komplizierte Familiengeschichte weitaus mehr gefesselt hat.

Wie bereits geschrieben hatte ich eigentlich mit viel mehr Drama und Klischees gerechnet, habe stattdessen aber tatsächlich Besseres geboten bekommen. Statt romantischer Liebesgeschichte erwartet uns hier eine sehr realistische Geschichte über die Lügen, die wir uns in Beziehungen selbst erzählen, über Schuldgefühle und den Dämonen im Inneren. Garniert mit vielen wichtigen Einsichten über die Liebe hat sich mir hier eine sehr nachdenklich stimmende, teils traurige und doch wieder hoffnungsvolle Lektüre geboten, die ich euch gerne weiterempfehle, wenn ihr eher auf ruhige Liebesgeschichten steht.

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Friederike

    Das klingt wunderbar, sehr unterhaltsam und herzerwärmend.

    Vielen lieben Dank für den Buchtipp und alles Liebe
    Livia

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  2. Hallöchen Friederike,

    was Inhaltsangaben mit uns machen und was Geschichten uns wirklich erzählen. Manchmal ist das verrückt, oder? Du machst mir zwar fast ein bisschen Angst, dass es so anders ist und ich fange an zu spekulieren, aber definitiv überwiegt die Neugier.

    Liebe Grüße
    Tina

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