Heute möchte ich euch in meiner Rezension wieder ein Buch aus dem Wunderraum Verlag vorstellen: Der Riss, durch den das Licht eindringt von Helen Cullen.
Gebundene Ausgabe | 384 Seiten | Wunderraum Verlag | Übersetzung: Jörn Ingwersen |
"Welche Lektionen erteile ich ihnen mit meinem Dasein? Iss gut, ohne dick zu werden, sei schlank, aber nicht dürr. Folge deinen Träumen, aber stell deine Familie immer an die erste Stelle. Kleide dich so, dass du dir selbst gefällst, aber geh nie ungeschminkt vor die Tür. Sei selbstbewusst, aber nicht aggressiv. Sei gesellig, aber nicht laut. Freue dich über deine Talente, aber sei nicht überheblich. Gib dich nicht mit weniger als wahrer Liebe zufrieden, aber hab keine unrealistischen Erwartungen, was die Liebe angeht.Ich weiß nicht, wie ich ihnen raten soll, eine Frau von Welt zu werden, denn was könnte ich ihnen ehrlicherweise raten? Man kann es sowieso nicht allen recht machen, also macht es, wie ihr wollt?Ich wünschte, das hätte damals jemand zu mir gesagt. Dann wäre ich vielleicht nicht derart voll von diesem weißen Rauschen." (S. 193)
Es ist der Weihnachtsmorgen im Jahr 2005, der das Leben der Familie Moone für immer verändern wird. Noch bevor die Sonne aufgeht, rudert Mutter Maeve aufs Meer hinaus - und kehrt nicht wieder zurück. Zehn Jahre später hadert die Familie immer noch mit dem Tod der Mutter. Während Vater Murtagh sich in seinen Töpferarbeiten vergräbt und seine Kinder sich über ganz Irland verstreut haben, beeinflusst Maeves Entscheidung ihre Leben immer noch. Doch um zu heilen, müssen sie sich der Wahrheit stellen, die hinter der großen Liebesgeschichte ihrer Eltern liegt...
Helen Cullen konnte mich bereits mit "Die verlorenen Briefe des William Woolf" begeistern, weshalb ich mir natürlich auch ihre neueste Geschichte nicht entgehen lassen wollte. Diesmal entführt sie uns auf eine kleine irische Insel und lässt uns die bittersüße Geschichte der Familie Moone miterleben, die vom Tod der Mutter fast auseinandergerissen wird. Und wieder hat mir die Autorin ein sehr besonderes Leseerlebnis beschert, welches mich sehr nachdenklich gestimmt und noch lange nachgewirkt hat.
Der Riss, durch den das Licht eindringt ist eine ruhige und eher auf Emotionen und Charaktere, weniger auf Handlung fokussierte Geschichte. Über vierzig Jahre hinweg wird hier die Geschichte von Maeve und Murtagh erzählt, die ein Jobangebot als junges Paar auf eine kleine irische Insel verschlägt und die sich dort nicht nur den Herausforderungen der Abgeschiedenheit der Insel stellen müssen, sondern auch denen, die die Elternschaft mit sich bringt. Es ist eine Geschichte über die Komplexität von Beziehungen, von inneren Dämonen und dem Druck, der von den Erwartungen der Menschen um einen herum ausgeht. Und natürlich geht es auch um Irland, um die Liebe zum Land, seiner Kultur und seinen Besonderheiten.
Zunächst erfahren wir, wie sich Maeve und Murtagh in den späten 70er Jahren kennenlernen und sofort voneinander verzaubert sind. Beide sind Künstler, Murtagh begeistert mit seinen Töpferarbeiten, Maeve spielt am Theater. Als Murtagh das Angebot bekommt, die Töpferei auf der kleinen Insel Inis Óg zu übernehmen, sind sie zwar unsicher, ob auch Maeve ihre Leidenschaft von dort aus weiter ausleben kann, nehmen das Angebot aber doch an. Schon da kann man erahnen, wie es um Maeves Innenleben bestellt ist, dass ihr Leben auf der Insel sie nicht vollends erfüllt und welchen Konflikt es darstellt, als sie erstmal Kinder bekommen. Denn Maeve hadert mit den Erwartungen, die von der Gesellschaft an sie als Mutter gestellt werden - umso engere Erwartungen, wenn man bedenkt, dass sie auf einer kleinen, religiös geprägten Insel in Irland leben, in der absolut jeder jeden kennt.
Auch wenn ich als Leserin durch den Einblick in Maeves Innenleben darauf
vorbereitet war, was kommen würde, hat es mich doch sehr betroffen
gemacht und besonders mit Murtagh, der sich nach dem Tod seiner großen
Liebe in sich verkriecht und nicht weiß, wie er seine Kinder trösten
soll, habe ich sehr mitgelitten. Es war sehr melancholisch und schmerzhaft zu lesen, wie die Familie mit dem Freitod der Mutter klarzukommen versucht und wie unterschiedlich sie mit ihrem Schmerz umgehen. Helen Cullen erweist sich dabei als geniale Autorin für komplexe Charaktere, die alle ihre eigenen Macken und Fehler und Sehnsüchte haben.
Auch wenn die Geschichte letztlich weniger fesselnd war als ich erwartet hatte, konnte sie mich doch mit ihren klugen Einsichten über das Leben und Lieben begeistern und daher empfehle ich euch Der Riss, durch den das Licht eindringt gerne weiter, wenn ihr nach emotionalen Familiengeschichten mit Tiefgang sucht.
Liebe Friederike
AntwortenLöschenDas klingt wirklich nach einem sehr bewegenden und trotzdem wunderschön erzählten Buch. Auf Helen Cullen bin ich ja bereits durch dich aufmerksam geworden. "Der Riss durch den das Licht eindringt" habe ich mir auch schon vorgemerkt. Lieben Dank für diesen Tipp.
Alles Liebe
Livia