War's das jetzt? - Herrlich kritische Bestandsaufnahme der Millennials-Generation

In meiner heutigen Rezension möchte ich euch das Buch "War's das jetzt? - Beziehungsstatus Kompliziert" von Holly Bourne vorstellen, ein herrlich unterhaltsamer Roman über die Probleme einer Frau Anfang Dreißig, die zwischen Selbstdarstellung und gesellschaftlichem Druck jonglieren muss.

Broschierte Ausgabe | 416 Seiten | bold Verlag | Übersetzung: Nina Frey

"Dreißig zu werden ist wie "Reise nach Jerusalem" zu spielen. Wenn die Musik aufhört, heiratet jeder einfach denjenigen, auf dem er oder sie zufällig gerade sitzt."

Tori Bailey hat alles, könnte man meinen: als Bestseller-Autorin eines Lebensratgebers reist sie um die ganze Welt, wird von Fans bejubelt und seit sechs Jahren führt sie eine glückliche Beziehung. Doch warum fühlt sich Tori dann trotzdem so rastlos? Warum hat sie das Gefühl, dass ihre Freunde alle viel glücklicher sind als sie? Und warum kann sie mit Tom eigentlich nicht über ihre Zukunftspläne reden, übers Heiraten und Kinderkriegen, wie es doch all ihre Freundinnen um sie herum tun? Ist ihr Leben wirklich so perfekt, wie sie es sich selbst immer wieder sagt?

 

Musstet ihr euch schon einmal die Frage gefallen lassen, wann ihr denn nun endlich das erste Kind bekommt? Oder heiratet? Dann ist dieses Buch hier definitiv für euch, denn mit genau solchen Fragen sieht sich auch Tori konfrontiert, die Protagonistin aus "War's das jetzt?". Und Holly Bourne ist mit diesem Buch ein echter Geniestreich gelungen, denn sie hat daraus eine herrlich bissig-unterhaltsame Geschichte rund um Beziehungen, Selbstinszenierung und die Suche nach dem Glück gemacht, in der sich wohl jeder wiedererkennt, unabhängig vom Alter. Selten hat es so viel Spaß gemacht, über das Älterwerden einer Anfang Dreißigjährigen zu lesen wie hier!

Wir lernen Tori als erfolgreiche Autorin und Influencerin kennen. Auf einer Lesung aus ihrem Bestseller "Verdammt nochmal, wer bin ich bloß?", den sie mit Mitte Zwanzig geschrieben hat, wird sie wieder einmal nach dem faszinierenden Mann gefragt, den Tori bei ihrem Selbstfindungstrip kennengelernt hat. Dass das schon sechs Jahre her ist und mittlerweile Alltag in die einst so stürmisch beginnende Beziehung eingezogen ist, erzählt Tori natürlich niemandem, immerhin ist sie für ihre Fans ja das Sinnbild von Erfolg und Selbstbewusstsein. Doch als selbst ihre beste Freundin plötzlich die vermeintliche Liebe ihres Lebens trifft und Tori immer mehr außen vor gerät, taucht die Frage immer öfter auf, ob sie wirklich so glücklich ist, wie sie es ihr Umfeld glauben lässt...

Was habe ich dieses Buch verschlungen! Holly Bournes scharfsichtige Bestandsaufnahme unserer Gesellschaft hat sich einfach unheimlich unterhaltsam gelesen. Gezielt pickt sie sich all die Lügen heraus, die wir uns tagtäglich selbst auftischen, sodass ich beim Lesen oftmals nur bestätigend nickend vor den Seiten saß und mich dabei köstlich amüsiert habe.

So war es fast schon absurd zu sehen, wie Tori sich immer wieder selbst belügt. Beispielsweise, als sie auf ihrer Stirn die ersten Falten entdeckt. Innerlich gerät sie total in Panik und rennt zur nächsten Kosmetikerin, die dem Unheil Einhalt gebieten soll, nach außen hin auf ihren Social Media-Kanälen feiert sie jedoch die Falten als Zeichen für Lebenserfahrung und erntet für ihre Ehrlichkeit Komplimente. Das fand ich sehr bezeichnend für die Generation Instagram, in der der äußere Schein alles ist und man einen Kaffee nicht bestellt, um ihn zu trinken, sondern um ihn zu fotografieren und seinen Followern zu zeigen, was man nicht für ein tolles Leben führt. 

Holly Bourne beschreibt all dies schonungslos ehrlich und offenbart, was da eigentlich alles schief läuft in unserer Gesellschaft. So zum Beispiel die Erwartungen, die an eine Frau Anfang Dreißig gestellt werden. Hat man bis dahin den perfekten Partner und perfekten Job nicht gefunden, endet man als einsamer, kinderloser Single. 

"Endlose Gefällt mirs und endlose Kommentare - die pflichtschuldige Anerkennung für gesellschaftlich anerkannte Entscheidungen, getroffen im dafür gesellschaftlich anerkannten Lebensalter. Gut gemacht, gut gemacht. Mach nur weiter so. Gratuliere. Toll, wie du den Menschen gefunden und das Verlobungsfotoshooting gemacht und die Wohnung gekauft und das Baby reingesetzt hast. Gut gemacht, gut gemacht. Genau so sollte es sein, also gut gemacht, gut gemacht." (S. 27)

Genau diese Erwartungshaltung wird auch Tori tagtäglich vorgelebt, sodass sie sich nicht eingestehen will, dass es zwischen Tom und ihr schon lange nicht mehr gut läuft, obwohl es für die Lesenden offensichtlich ist, dass sie in einer toxischen Beziehung steckt. Und doch findet sie nicht den Mut, die logische Konsequenz daraus zu ziehen, denn:

"Das Sich-Einfinden in eine Langzeitliebe ist immer auch ein Sich-Abfinden. Ich habe mich abgefunden. Woher soll ich wissen, dass ich mit einem anderen, einem Nicht-Tom, glücklicher wäre? Ich könnte ebenso gut noch unglücklicher sein. Wenigstens kenne ich mich aus mit diesem Unglücklichsein; bei diesem Unglücklichsein weiß ich wenigstens, woran ich bin." (S. 225) 

Mein Fazit: Holly Bourne hat ein großartiges, spitzfindiges Buch geschrieben über die Schwierigkeit, sich selbst einzugestehen, was man wirklich will. Es geht um Feminismus, Selbstfindung und darum, sich nicht länger selbst zu belügen und den Erwartungen anderer entsprechen zu wollen. Von mir gibt es dafür eine ganz klare Leseempfehlung!

2 Kommentare:

  1. Liebe Friederike

    Das Buch ist mir schon einige Male begegnet und bisher war ich mir nicht sicher, ob es mir gefallen würde, aber nach der Lektüre deiner Rezension habe ich es mir nun auf die Wunschliste gepackt, das klingt doch toll.

    Ganz liebe Grüsse und herzlichen Dank für den Buchtipp
    Livia

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    1. Hi Livia,

      ich hatte tatsächlich auch gar nicht erwartet, dass mir das Buch SO gut gefallen wird, aber es enthält einfach so viel Wahrheit und ist gleichzeitig unheimlich unterhaltsam :-)

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