Interview mit Neal Shusterman - Wie ich einen meiner Lieblingsautoren ausquetschen durfte

Im Rahmen der Leipziger Buchmesse hatte ich die großartige Gelegenheit, den Autoren Neal Shusterman interviewen zu dürfen. Genau, DER Neal Shusterman, von dem so geniale Bücher wie die Vollendet-Reihe oder sein neuester Hit "Scythe: Hüter des Todes" stammen. 

Das mit dem Interviewtermin kam für mich völlig überraschend. Als ich gerade mit Sabrina zum ersten Termin des Tages lief, fragte sie mich plötzlich aus heiterem Himmel: "Nicole und ich haben nachher ein Interview mit Neal Shusterman. Willst du mitkommen?" Nachdem mir innerlich erstmal die Kinnlade runtergefallen war, kam von mir ein hoffentlich nicht total durchgedrehtes "Na klar!!!" zurück, denn bei Neal Shusterman handelt es sich um einen meiner Lieblingsautoren. Und ich kann euch sagen, es war megatoll! Neal war super sympathisch und nett und seine Antworten auf unsere Fragen haben meinen Eindruck nur bestätigt, dass er ein unheimlich kluger Mann mit einem sensiblen Radar für aktuelle Geschehnisse und Gesellschaftstrends ist. Sympathisch war auch sein kleiner Sensen-Pin an seinem Jackett und seine Smartphone-Hülle, die das Cover der englischen Scythe-Ausgabe zierte :-)

Hier könnt ihr daher nun u.a. erfahren, was er mit seinen Büchern zu erreichen versucht, wie viel Spaß es ihm macht, "böse" Charaktere zu schreiben, und worum es in seinem nächsten Buch gehen wird. Enjoy! ;-)

Neal Shusterman mit seinem neuesten deutschen Buch - Scythe: Der Zorn der Gerechten
Ist es dein erster Besuch in Deutschland? 
Nein, es war nicht das erste Mal, denn zum Erscheinen von "Vollendet" war er bereits ein Mal in Deutschland. Aber die Scythe-Bücher hätten seinen Erfolg in Deutschland wohl endgültig zementiert, daher dachte er, es ist an der Zeit, mal wieder vorbeizuschauen und war unglaublich aufgeregt, so viele Fans treffen zu können :-) Nächstes Jahr erscheint auch eeeeendlich der vierte und letzte Teil von Vollendet auf Deutsch (die Bücher werden als Taschenbuch neu aufgelegt) und Neal sagt selbst, dass Teil 4 der Beste in der Reihe ist :-D

Findest du es selbst gruselig, dass deine fiktiven Geschichten gar nicht so weit weg sind von der Realität?
Stimmt schon, die eingestreuten Zeitungsausschnitte in den Vollendet-Büchern zur Organspende sind echt. Was er aber noch unheimlicher findet, ist, wenn später etwas passiert, dass er so ähnlich auch in seinen Geschichten geschrieben hat. Oft sind es seine Fans, die ihn auf solche Dinge hinweisen und durch seine Bücher für negative Geschehnisse in der Welt sensibilisiert wurden, die ihnen sonst vielleicht gar nicht so sehr aufgefallen wären.

Schreibst du denn Bücher, um die Menschen eben für solche gesellschaftlichen Entwicklungen zu sensibilisieren? 
Neal liebt es zwar, unterhaltsame Geschichten zu schreiben, aber es müssen Geschichten sein, die es Wert sind, erzählt zu werden, die dem Leser neue Perspektiven und Denkansätze geben. Er hofft, dass seine Bücher dazu beitragen können, möglichst viele Menschen für eventuell negative Gesellschaftsentwicklungen zu sensibilisieren. Er kann in seinen Büchern zwar keine Antworten liefern, aber er will die Leute trotzdem zum Nachdenken bringen. Sodass sich jeder Gedanken machen, diskutieren und nach Lösungen suchen kann, wenn sich die Gesellschaft in eine negative Richtung entwickelt.


"If we're sensitized to such changes, then maybe, just maybe, we'll do the things that are necessary to stop it." 


Sabrina fragt Neal Shustermann Löcher in den Bauch
Reagieren Leser in unterschiedlichen Ländern anders auf deine Bücher?
Er hat die Erfahrung gemacht, dass seine Themen scheinbar sehr universell sind, denn egal ob amerikanische oder deutsche Leser, sie reden alle über dieselben Aspekte.

Wann hast du damit begonnen, Bücher zu schreiben?
Als er 18 Jahre alt war, schrieb er sein erstes Buch. Es wurde jedoch nie veröffentlicht, weil es laut eigener Aussage schrecklich war. Auch sein nächster Versuch scheiterte. Aber mit 22 Jahren hat er sein erstes Buch verkauft und seitdem ist er dabei, Bücher für Jugendliche zu schreiben. 

In Scythe: Hüter des Todes hat er nun einmal nicht über eine dystopische Welt geschrieben, sondern den Spieß umgedreht und überlegt, was passiert, wenn wir alles bekommen, was wir uns für die Menschheit wünschen? Eine Welt ohne Kriege, ohne Krankheiten, ohne Hunger oder Rassismus? Denn auch positive Dinge haben Konsequenzen und er wollte die Konsequenzen erforschen, die eine "perfekte" Welt mit sich bringen würde.

Was ist dir beim Schreiben von Scythe: Hüter des Todes am schwersten gefallen?
Auch wenn sie immer wieder vorkommen, schreibt Neil nicht gern über Gewalt, deshalb fielen ihm die brutalen Szenen mit Scythe Goddard besonders schwer. Er geht an gewalttätige Szenen daher immer sehr vorsichtig heran und versucht, die psychologischen Aspekte und Beweggründe mehr in den Vordergrund zu stellen.

Wie viel Spaß macht es dir, "böse" Charaktere wie Scythe Goddard zu schreiben?
Das ist das Gruselige, obwohl sie ganz klar dunkle und manipulative Charaktere sind, sind sie doch sehr charismatisch. Als Goddard versucht, seinen Lehrling von seiner Sichtweise zu überzeugen, kann man es tatsächlich fast nachvollziehen. Und um einen runden Antagonisten zu schreiben, darf er nicht dem klischeehaften Bösewicht entsprechen, es muss einfach mehr hinter ihm stecken. Goddard zu schreiben hat Spaß gemacht, auch wenn er sehr gruselig ist.

Sein liebster Charakter der Scythe-Bücher ist übrigens Greyson Tolliver, er ist sehr wichtig und seine Geschichte ist sehr interessant.

Man beachte die kleine Sense am Jackett :-D
Was dürfen wir von der Fortsetzung - Scythe: Der Zorn der Gerechten - erwarten?
Noch mehr Fragen, mehr zum Nachdenken und ein Ende, wegen dem wir ihn am liebsten erwürgen würden :-) Aber es sei wohl ein befriedigendes Ende, das einen trotzdem in der Luft hängen lässt.

Wenn du ein Buch schreibst, hast du den Plot dann schon fertig voraus geplant oder lässt du dich von den Charakteren führen?
Es fängt mit einem Plot an und ab irgendeinem Punkt übernehmen tatsächlich die Charaktere. Und oftmals machen sie Dinge, von denen Neal gar nicht wollte, dass sie passieren. Dann muss er seine Vorannahmen und Pläne über den Haufen schmeißen und einfach den Charakteren folgen. Oftmals ist es ein Kampf zwischen dem, was er will und dem, was seine Charaktere wollen. Aber seine Charakter sollen auch ihre eigenen Entscheidungen treffen können und nicht wie Marionetten reagieren.

Worüber wirst du als nächstes schreiben?
Die Idee zu seinem neuesten Buch steht bereits und das Thema verspricht, genauso brisant zu werden wie bei Vollendet oder Scythe. Diesmal soll es um Wasserknappheit in Kalifornien gehen und wie die Gesellschaft zusammenbricht, nachdem die Menschen eine Woche lang keinen Zugang zu Trinkwasser haben.

Neal Shusterman, Sabrina, Nicole und ich :-)

3 Kommentare:

  1. Hey!
    Danke für dieses tolle & interessante Interview, es hat richtig Spaß gemacht es zu lesen :)
    Das mit der kleinen Sense ist ja cool ey :-D Musste richtig lachen.
    Neal ist einfach suuuuper cool.
    Scythe 1 gefiel mir unglaublich gut und jetzt freue ich mich umso mehr auf die Fortsetzung.
    Die Szenen mit Goddard fand ich total gelungen, spannend zu wissen, wie er das so gelöst hat.

    Liebe Grüße,
    Nicci

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  2. Danke für das spannende Interview. Aber den Teil mit den Gewaltszenen glaube ich Shusterman nicht ganz. :D Dafür schreibt er sie viel zu gut und richtig brutal.

    Die Fortsetzung habe ich schon gelesen und das Ende ist der Wahnsinn!!! Ich frage mich noch immer, wie einem so etwas einfallen kann und freue mich sehr auf den nächsten Teil.

    Liebe Grüße,
    Nicole

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  3. Huhu!

    Wow, das ist ja wirklich eine einmalige Gelegenheit! Normal kommt man als deutsche Bloggerin ja nur schwer ran an Autoren aus anderen Ländern. :-)

    Den vierten Band von "Vollendet" hatte ich mir irgendwann schon auf Englisch geholt, aber noch nicht gelesen... Muss ich endlich mal tun! :-)

    Ein tolles Interview!

    Ich habe diesen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt.

    LG,
    Mikka

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