Von Lust und Frust des Sequel-Trends - Geschenk für die Fans oder schlichte Geldmache?

 

Selbst wer nicht der Buchbloggersphäre angehört, dürfte bemerkt haben, dass dieses Jahr zwei bekannte Namen in die Bestsellerlisten zurückgekehrt sind: Stephenie Meyer und Suzanne Collins. Ganz recht, die beiden Erfolgsautorinnen melden sich nach Jahren zurück.  

Auf "Biss zur Mitternachtssonne" von Stephanie Meyer, in dem die Geschichte aus "Biss zum Morgengrauen" noch einmal aus Edwards Perspektive erzählt wird, mussten die Fans schlappe 10 Jahre warten! Ich muss gestehen, ich habe es nicht gelesen, denn schon die Bücher aus Bellas Sicht konnten mich nicht so richtig flashen. Aber dass sich die Fans riesig gefreut haben, nach so vielen Jahren noch einmal in die Welt ihrer Lieblingscharaktere eintauchen zu können, kann ich total nachvollziehen :-) 

Und auch Fans eines weiteren Fandoms konnten sich dieses Jahr freuen: Suzanne Collins, die Autorin der Tribute von Panem-Trilogie, hat ebenfalls nach 10 Jahren ein weiteres Buch herausgebracht, welches einige Jahre vor den Geschehnissen des ersten Buches spielt - "Die Tribute von Panem X: Das Lied von Vogel und Schlange".  

Wenn nach so langer Zeit plötzlich die alte Geschichte wieder aus der Versenkung hervorgeholt wird, kommt bei mir da immer schnell die Frage auf: 

Machen die das für ihre Fans? Oder doch eher für ihren Geldbeutel? 

Vielleicht vorab kurz ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte von Biss zur Mitternachtssonne, für diejenigen, die davon nichts mitgekriegt haben: Das Buch sollte ursprünglich tatsächlich schon vor Jahren erscheinen, wurde jedoch vorab online geleaked, was die Autorin (verständlicherweise) so frustriert hat, dass sie den Release des Buches abgesagt hat. In diesem Sinne kann man hier wohl wirklich von einem Geschenk für die Fans reden, die sich so lange nach Edwards Perspektive gesehnt haben. 

Aber ohne Frage, auch für die Verlage ist es ein fettes Geschenk, denn die können sich der zahlungswilligen Fans und ihres Spitzentitels im Programm sicher sein. So verlangt Carlsen für das Buch stolze 28 Euro! Okay, das Buch hat mehr als 800 Seiten, also kriegt man schon etwas fürs Geld geboten. Wobei ich mich frage, ob der stolze Preis nicht auch daher kommt, weil natürlich eine großangelegte Werbekampagne für das Buch finanziert werden muss...  

Woher bei Suzanne Collins jedoch plötzlich der Gedanke herkam, sie müsse die Geschichte nach 10 Jahren noch einmal aus der Versenkung holen, ist mir allerdings schleierhaft. An Geldmangel kann es doch bestimmt nicht gelegen haben. Und trotzdem dürfte ihr ihr neuestes Buch eine ordentliche Summe in die Kasse gespült haben, immerhin landete "Die Tribute von Panem X" auf Platz 1 der Bestseller-Listen in den USA und in Deutschland. Aber auch hier müssen Fans mit 26 Euro recht tief in die Tasche greifen (und hab ich schon erwähnt, dass das Coverdesign der neuen Ausgabe sich von den alten Ausgaben unterscheidet, und daher die alten auch mit neuem Cover noch einmal aufgelegt wurden? Wer es einheitlich im Regal mag, muss wohl alle nochmal kaufen).

Zumindest kann man Collins nicht vorwerfen, die alte Geschichte nur noch einmal aufzuwärmen und einfach ein weiteres Mal zu erzählen, denn sie hat sich für ein Prequel entschieden, welches zeitlich vor der Hunger Games-Trilogie angesiedelt ist. 

Generell scheint sich der Trend, eine bekannte Geschichte noch einmal aus einer neuen Perspektive zu erzählen, seit 2015 erledigt zu haben. Schon damals habe ich mich gefragt, warum plötzlich alles nochmal aus einer zweiten Perspektive erzählt werden muss. 

 

 


Bringen Sequels die einstigen Helden zu Fall?

Lassen wir mal die Motivation der Autorinnen beiseite. Ob sie es nun des Geldes wegen gemacht haben, weil sie die Stimme eines Charakters im Kopf hatten, die unbedingt aufs Papier musste oder ob es ein Dankeschön an die treuen Fans sein sollte - ich sehe hier trotzdem eine Gefahr: dass uns das Bild unserer einstigen Helden im schlimmsten Fall versaut wird.

Als Fan erhofft man sich, noch mehr über die Welt zu erfahren, zu sehen, was aus den Charakteren geworden ist und - speziell wenn die Geschichte ein zweites Mal erzählt wird - mehr über die Motive derjenigen Charaktere zu erfahren, die keine Erzählerrolle in der ursprünglichen Geschichte inne hatten und endlich zu erfahren, was  damals in Off-page Szenen passiert ist, bei denen die Protagonisten in den ursprünglichen Büchern nicht dabei waren. 

In "Biss zur Mitternachtssonne" kommt nun also endlich Edward zu Wort. Und bei einigen scheint sich meine Befürchtung bewahrheitet zu haben, wie der Artikel "I’m a Die-Hard Twihard and I Struggled to Finish ‘Midnight Sun" zeigt, in dem ein Hardcore-Twilight Fan ausführt, warum das Sequel ihr einstiges Bild von Edward komplett versaut hat und aus dem romantisch-leidenden Edward ein unheimlicher Stalker geworden ist. Manche Dinge sollten wohl doch lieber ein Geheimnis bleiben...

Auch beim neuen Hunger Games-Buch droht die Gefahr, dass die einstigen (Anti)Helden viel von ihrem Biss und ihrer boshaften Präsenz verlieren. Immerhin lernen wir hier den Oberbösewicht, Präsident Snow, als Jugendlichen kennen. Ich habe es nicht gelesen, daher müsst ihr mir hier einmal weiterhelfen: beweist er sich auch als Jugendlicher schon als so unheimlicher Soziopath, wie er es später als Präsident ist? Oder wirkt er als Teenie plötzlich gar nicht mehr so böse? Snow wirkte auf mich in der ursprünglichen Trilogie gerade deshalb so dämonisch, weil wir nicht in seinen Kopf hineinschauen konnten und nicht genau wussten, warum er die Dinge so tut, wie er es eben tut.

Ich habe aber auch ein Positivbeispiel für eine Fortsetzung, die erst Jahre später erschienen ist. Kennt ihr die Legend-Trilogie von Marie Lu? Fünf Jahre nach dem letzten Band hat Marie Lu mit "Rebel" nun einen vierten Teil herausgebracht, der 10 Jahre nach den Ereignissen des letzten Teils spielt und aus einer neuen Perspektive erzählt wird. Hier haben sich meine Befürchtungen nicht bewahrheitet, Day und June waren mir noch genauso sympathisch wie vor 5 Jahren und ich habe die Fortsetzung begeistert verschlungen. Leider verspricht das Buch scheinbar nicht genug Verkaufspotenzial für den deutschen Markt, denn bis dato gibt es keine Übersetzungspläne. 

 

Wie steht ihr zu Sequels und Retellings? Geschenk für die Fans oder doch nur Geldmache?

2 Kommentare:

  1. Hallo Friederike,

    Ein sehr interessanter Artikel! Ich habe mich das dieses Jahr tatsächlich auch schon öfter gefragt. Mir ist das auch bei anderen Autoren aufgefallen, z.B Erebos 2 von Ursula Poznanski oder Cornelia Funke, die sowohl die Tintenwelt Reihe als auch die Reckless Reihe fortsetzt. Über deren Motivation weiß ich nichts und ich habe auch keins der Bücher bisher gelesen, vielleicht sind sie ja ganz toll?! Aber es fällt schon auf, dass dieses Jahr mehrere Autoren auf diesen Zug der nachträglichen Fortsetzungen aufgesprungen sind, oder? Die Tribute von Panem X ist tatsächlich die einzige Fortsetzung, die ich mir gekauft habe. Allerdings noch nicht gelesen, ich sage nur "Zahnungsnächte" :) Mir gefällt dein Blog übrigens sehr gut und du hast meinen höchsten Respekt, dass du das als 3Fach Mama stemmst!

    Liebe Grüße,
    Corinna

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    1. Hallo Corinna,

      stimmt, Erebos 2 gibt es ja auch noch. Und mir fällt gerade ein, selbst Margaret Atwood hat eine Fortsetzung ihres erfolgreichen "Report der Magd" geschrieben. Bei letzterem freue ich mich sehr darüber, denn die Geschichte endete tatsächlich recht offen und ich habe mir eine Fortsetzung gewünscht.
      Generell finde ich, wenn die Geschichte offen endet, ist eine Fortsetzung auch nach Jahren durchaus nachvollziehbar, denn vermutlich hat die Autorin/der Autor die Geschichte im Kopf genauso weitergesponnen wie ich als Leserin.
      Danke für das Kompliment zu meinem Blog :-) Zwischenzeitlich ist es hier ja auch ziemlich still geworden, ich muss mir bewusst Zeit dafür nehmen.

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