Die Leuchtturmwärter - Fesselndes Drama über das Verschwinden dreier Männer

Wenn ihr eine Faszination für das Meer habt, solltet ihr euch dieses Buch hier nicht entgehen lassen: Die Leuchtturmwärter von Emma Stonex. Lasst mich euch in meiner Rezension erzählen, worum es geht: 

Gebundene Ausgabe | 432 Seiten | S. Fischer Verlag | Übersetzung: Eva Kemper

"Ich weiß nicht genau, ob Arthur je zu mir nach Hause kommen wollte. Wenn er in seiner freien Zeit an Land war, hat er den Turm vermisst, das konnte ich ihm schon ansehen, wenn er vom Boot gekommen ist. Er hat es nicht vermisst, dort zu sein - er hat die Maiden vermisst. Er war nicht für das Leben an Land gemacht." (S. 123)

Es ist kurz vor Neujahr, als im Jahr 1972 die drei Leuchtturmwärter des Maiden-Leuchtturms auf hoher See spurlos verschwinden. Türen und Fenster sind verschlossen, kein Anzeichen eines Tumults, der Tisch noch gedeckt - das Verschwinden der drei Männer gibt nicht nur den Behörden, sondern auch ihren hinterbliebenen Ehefrauen Rätsel auf und lässt sie in quälender Ungewissheit zurück. Als sich 20 Jahre später ein Schriftsteller der Geschichte annimmt und den Fall erneut aufrollt, kommen lang gehütete Geheimnisse ans Licht. Geheimnisse, die wohl besser für immer im Verborgenen geblieben wären...

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich liebe geheimnisvolle Geschichten, bei denen ich wie bei einem Krimi mitraten kann, was wohl geschehen ist. Und was könnte faszinierender sein als ein Geheimnis, welches auf wahren Begebenheiten basiert? So wie hier in Emma Stonex "Die Leuchtturmwärter", einem Buch, welchem das Verschwinden dreier Leuchtturmwärter aus dem Jahr 1900 als Inspiration gedient hat. Heraus kam eine unheimlich atmosphärische, spannende Geschichte, welche uns tiefe Einblicke in die Psyche der Menschen gewährt und die Frage aufwirft: kann man einen Menschen jemals wirklich kennen?

Zunächst blicken wir ins Jahr 1972. Es ist der Tag der Wachablösung, bei dem einer der drei Leuchtturmwärter der Maiden abgeholt werden soll. Doch niemand im Leuchtturm reagiert auf das sich nähernde Boot. Als die Besatzung schließlich den Turm betritt, schlägt ihnen gespenstische Stille entgegen. Kein Zeichen von Arthur, Bill und Vince, obwohl die Tür als auch sämtliche Fenster fest von innen verschlossen sind. Wo sind die drei nur abgeblieben? Die Betreibergesellschaft des Leuchtturms hat schnell ihren Sündenbock gefunden, hat doch einer der drei Wärter eine kriminelle Vorgeschichte. Doch vor allem die drei Frauen der Wärter haben da so ihre Zweifel - und eine ganz andere Geschichte zu erzählen...

"Die Leuchtturmwärter" konnte mich von der ersten Seite an faszinieren. Dabei hat nicht nur das mysteriöse Verschwinden der drei Männer einen Reiz auf mich ausgeübt, sondern auch das faszinierende Setting im Leuchtturm, abgeschnitten vom Rest der Welt und nur über Funk mit dem Festland verbunden. Was passiert mit Menschen in so einer abgeschiedenen, menschenfeindlichen Umgebung, in der man wochenlang, tagein, tagaus nichts als das Innere des Turms und die zwei anderen Männer um sich hat, eingeschlossen auf einem Felsen mitten im Meer, umgeben von nichts als tosenden Wellen? Für das Leben als Leuchtturmwärter auf hoher See muss man definitiv der richtige Typ sein - und eigentlich scheinen die drei Hauptcharaktere genau das zu sein. Oberwärter Arthur lebt für seinen Beruf, Bill sieht den Leuchtturm als Fluchtort vor dem einengenden Familienleben, und Vince will nichts als nach einem schweren Start ins Leben seine düstere Vergangenheit hinter sich lassen.

Emma Stonex versteht es hervorragend, interessante Charaktere mit Tiefgang zu gestalten. Nicht nur die drei Leuchtturmwärter hüten ihre ganz eigenen Geheimnisse, sondern auch ihre Frauen, die 20 Jahre später von einem Schriftsteller interviewt werden und ihre Sichtweise der Dinge schildern. Die Erzählung springt kontinuierlich zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, zwischen den Geschehnissen im Leuchtturm im Jahr 1972 und den Erzählungen der Ehefrauen, wodurch sich nach und nach immer mehr Puzzleteile zusammenfügen und man langsam erahnen kann, was wirklich passiert sein könnte. Mit diesem stückweise Enthüllen konnte mich die Autorin total an die Seiten fesseln und mit jedem enthüllten Geheimnis emotional mehr mitreißen. 

Da die Erzählungen der drei Frauen ein anderes Bild zeichnen als das, welches die Betreibergesellschaft des Leuchtturms zur Wahrheit erklärt hat, und sich die Frauen außerdem auch noch untereinander widersprechen, ist klar: niemand hier kennt die ganze Wahrheit. Und so bleibt die Geschichte spannend bis zum Schluss, denn Theorien, was wohl auf dem Turm geschehen ist, gibt es viele, und nur die verschwundenen Männer kennen die ganze Wahrheit. Glücklicherweise präsentiert uns Emma Stonex aber eine Lösung und lässt uns nicht in quälender Ungewissheit zurück.  

Mein Fazit: Kann man einen Menschen jemals wirklich kennen und ahnen, was in seinem Inneren vorgeht? Diese Frage wirft Emma Stonex in "Die Leuchtturmwärter" auf und präsentiert uns ein unheimlich atmosphärisches, spannendes Buch über die dunklen Abgründe, die in jedem Menschen lauern. Eine Geschichte über Verlust und Trauer, darüber, was Isolation mit den Menschen macht und welche zermürbende Kraft Geheimnisse haben, die man 20 Jahre mit sich herumträgt. Mich konnte das Buch total mitreißen als auch überraschen, weshalb ich es auch gern als eins meiner Jahreshighlights küre.


2 Kommentare:

  1. Einerseits möchte ich dieses Buch unbedingt lesen, andererseits schrecke ich aber etwas davor zurück, da ich mich viel zu schnell grusle. Ist es unheimlich/schaurig oder "nur" spannend?
    LG Neyasha

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    1. Ach Mensch, entschuldige die späte Antwort. Es ist "nur" spannend, nicht gruselig. Also greif gerne zu :-)

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