Lernt in Wenn der Rest der Welt schläft einen außergewöhnlichen Alltags-Superhelden kennen

Heute möchte ich euch in meiner Rezension mal wieder ein Buch aus dem Wunderraum Verlag vorstellen: "Wenn der Rest der Welt schläft" von Rhys Thomas. Darin geht es um einen eher unscheinbaren jungen Mann mit psychischen Problemen, der sich nachts in einen Superhelden verwandelt. Klingt kurios? Erfahrt hier mehr:


"All seine eigentümlichen Rituale - zum Beispiel, den hübschen Teppich im Kofferraum seines Autos zu bestaunen - wären Geschichte, oder zumindest müsste er sie zurückschrauben, denn wenn er Sarah erklären würde, wie gern er manchmal ein paar Minuten in seinen Kofferraum starrte, auf diesen blitzsauberen, leeren Raum, würde das eventuell eine gewisse Distanz zwischen ihnen schaffen. Er hing an seinen Ritualen, sie schenkten ihm eine ungeheure Ruhe. Wenn er sie aufgab, würde er einen großen Teil seiner selbst verlieren, und der Damm würde abgetragen, den er zwischen sich und dem tobenden Chaos errichtet hatte, das am Rand seines Geistes wütete." (S. 84)

Tagsüber ist Sam ein unscheinbarer, neurosengeplagter junger Mann, der zurückgezogen in seiner perfekt geordneten, akkuraten Welt lebt und dessen Sozialleben einzig aus gelegentlichen Barbesuchen mit seinen Freunden besteht. Doch nachts wird Sam zum Phantasma und bekämpft das Verbrechen, wo immer er es findet. Egal ob fiese Halbstarke, die Steine auf Züge werfen oder alte Damen mit schweren Einkäufen - das Phantasma schreitet ein! Und so rettet Sam quasi jede Nacht ein Stück weit die Welt. Doch wer wird eigentlich Sam retten?

Der Wunderraum Verlag ist für mich ein Garant für ungewöhnliche, gefühlvolle und tiefgehende Geschichten rund um die menschliche Existenz. So versprach auch "Wenn der Rest der Welt schläft" wieder eine einzigartige Geschichte mit einem ungewöhnlichen Helden, die mich sofort neugierig gemacht hat und der ich einfach nicht widerstehen konnte. Und siehe da, meine Erwartungen wurden wieder einmal nicht enttäuscht, denn ich bekam eine wirklich einzigartige, berührende Geschichte über einen Superhelden geboten, der auch ganz ohne Superkräfte im Gedächtnis bleibt.

Dass Sam ein etwas schräger Vogel ist, merkt man sofort. Sein Haus ist absolut steril geputzt, auf seinem Schreibtisch auf Arbeit ist alles exakt angeordnet und seine frühere Rückzugshöhle im Wald, in der er als Kind Comics gelesen hat, befindet sich nun auf seinem Dachboden, wo er sich zwischen seiner enormen Comicsammlung aus dem Alltagsleben ausklinkt. Sein Leben läuft zwar rund, aber in sehr festgefahrenen, ereignislosen Bahnen. Doch nachts, da wird es aufregend, denn nachts verwandelt sich Sam in seinen Alter Ego: das Phantasma!

Im Gegensatz zu Sam ist das Phantasma weitaus auffälliger und entpuppt sich als echter Alltags-Superheld. Sobald es dunkel wird, hilft er älteren Damen mit ihren schweren Einkäufen, spendet Lebensmittel für Armentafeln und verhindert Vandalismus durch Jugendliche und sogar Raubüberfälle. Doch ohne Superkräfte oder den Reichtum von Bruce Wayne fällt seine Superhelden-Ausrüstung eher pragmatisch aus: so ist sein Gefährt kein cooler Rennwagen, sondern ein schwarz angemaltes Fahrrad, seinen Superhelden Anzug hat er sich aus einer Skimaske, einer militärischen Schutzweste und diversen Outdoor-Survival Klamotten zusammengestellt und seine Tools sind Pfefferspray, Seil und Taser. Nein, das Phantasma mag zwar nicht gerade cool sein, aber mutig ist er allemal! Und seine rechtschaffenen Sprüche, die er den Bösewichten entgegenschmettert, haben mich oftmals laut lachen lassen und waren sehr unterhaltsam :-D

Man merkt sehr schnell, dass etwas in Sams Vergangenheit passiert ist, was der Auslöser für sein Bedürfnis war, sich nachts als Superheld zu verkleiden oder sich tagsüber in beruhigende Rituale zu flüchten. "Der Vorfall" nennt er es nur. Zwar konnte ich mir in etwa denken, was passiert ist, aber das hat die Wirkung des Vorfalls nicht weniger dramatisch ausfallen lassen, als ich schließlich von Sams Schicksal erfahren habe. So offenbart sich im Laufe der Geschichte, dass Sam eine wirklich emotionale, tragische Hintergrundgeschichte hat, wie sie tatsächlich auch hinter jedem echten Comic-Superhelden steht, die mich sehr mit ihm hat mitfühlen lassen.

Natürlich spielt sich Sams Leben aber nicht nur nachts als Superheld ab. Tatsächlich verliebt er sich im Laufe der Geschichte in eine schöne junge Frau, was sein bequemes, geordnetes Leben ganz schön durcheinander bringt. Doch seine geheime Identität hält er vor ihr geheim. Aber wer hätte ahnen können, dass Sarah auch ihre Geheimnisse hat?

Auch wenn Sams Geschichte auf keinen großen dramatischen Höhepunkt zuläuft, hat sie mich doch konstant an die Seiten gefesselt. Denn natürlich wollte ich wissen, was genau denn nun "Der Vorfall" war, der Sams Leben so entscheidend geprägt hat und ob seine geheime Identität irgendwann auffliegt. Und auch hier wurde ich nicht enttäuscht.

So kann ich euch Sams Geschichte wirklich nur ans Herz legen! Es wird lustig, emotional, unterhaltsam, dramatisch und auch nachdenklich stimmend. Ein echter Lesegenuss!


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