Will man uns den Mund verbieten? Und wollen wir das zulassen?

Man kann schon langsam den Eindruck kriegen, dass die ganzen Verschwörungstheoretiker gar nicht so falsch liegen, die seit Jahren behaupten, der Staat/die Presse/[Name von verhasstem System hier einfügen] würde die Bürger unterdrücken, zensieren oder manipulieren. Immerhin finden sich in den letzten Wochen immer mehr Entwicklungen im digitalen Bereich, die man mit Besorgnis verfolgen kann. Ist das Internet, wie wir es kennen, bald Geschichte?


Von Link-Steuer und Upload-Filtern

Erst gestern wurde im Rechtsausschuss des Europaparlaments über den Entwurf für eine Reform des Urheberrechts abgestimmt. Dazu gehören auch zwei Punkte, die schon im Vorfeld stark für Furore gesorgt haben: der sogenannte Upload-Filter und lizenzpflichtige Verlinkungen. Kritiker fürchten, dass durch diese beiden Punkte zukünftig die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz stark eingeschränkt wird. Der Upload-Filter prüft automatisch, ob ein Beitrag, den man im Netz hochladen möchte, urheberrechtlich geschützte Inhalte enthält. Die Entscheidung darüber wird einem Algorithmus überlassen, der nicht zwischen einer Urheberrechtsverletzung und beispielsweise Memes oder Parodien unterscheiden kann. So kann es eben dazu kommen, dass der Beitrag nicht hochgeladen werden kann. Viele kritisieren den Upload-Filter deshalb als Möglichkeit zur Internet-Zensur, so z.B. die Datenschutzorganisation European Digital Rights. Denn Missbrauch kann natürlich, wie bei jedem technischen System, nicht ausgeschlossen werden. Vermutlich auch deshalb lehnt unsere Bundesregierung Upload-Filter eigentlich ab. Mal gucken, wie da verfahren wird, sollte es auf EU-Ebene beschlossen werden.

Einschränkend auf die Informationsfreiheit kann sich auch auswirken, dass wir für Verlinkungen, die auf Verlage wie den Axel Springer Verlag verweisen, zukünftig bezahlen sollen. Na da überlege ich mir doch zweimal, ob ich auf einen weiterführenden Artikel verlinke, oder? Soll sich doch jeder seine Infos selbst zusammensuchen.

Das widerspricht total dem Prinzip des Internets, das eben von Verlinkungen lebt und sich dadurch auszeichnet. Und ich schließe mich in meiner Meinung da den Kritikern an, die fürchten, dass von diesem Gesetz eher nur die großen Verlagshäuser profitieren werden, während kleine Verlage an Reichweite verlieren werden, weil sie nun schlicht nicht mehr verlinkt werden. Mehr dazu könnt ihr bei t3n erfahren. Und was wird eigentlich aus großen Online-Wissensdatenbanken wie Wikipedia, die ja quasi von Verlinkungen leben?

Noch ist das Thema nicht durch, denn letztlich muss das gesamte EU-Parlament über den Gesetzentwurf abstimmen. Und das wird wohl nicht vor Ende des Jahres geschehen.


Freie Meinungsäußerung oder schon Beeinflussung?

Aufregung brachte vorletzte Woche auch das Urteil gegen Bloggerin Vreni Frost, die gegen eine Abmahnung vor dem Berliner Landgericht geklagt hatte - und verlor. Vreni hat in ihren Instagram-Posts Marken getaggt, ohne diese als Werbung zu kennzeichnen. Dass sie dafür von den Marken keine Bezahlung bekam, sondern sie schlicht zur Information erwähnt hat, hat das Berliner Landgericht nicht so gesehen; für sie wurde hier Schleichwerbung betrieben. Die Konsequenz für uns Blogger: Entweder taggen wir Marken nicht mehr oder nur noch mit dem Hinweis [Werbung]. Beides halte ich für besch...eiden, denn Werbung impliziert automatisch, dass man als Werbender in irgendeiner Form eine Entlohnung erhält. Kaufe ich mir also ein Buch und möchte euch z.B. die tolle Covergestaltung zeigen, sollte ich bloß nicht den Verlag taggen, denn dann wäre es schon Werbung. Manche würden sowas ja als freie Meinungsäußerung sehen, wenn ich euch von etwas berichte, das mir gefällt; das Landgericht Berlin allerdings nicht.  

Seit diesem Urteil sind immer mehr Posts in meiner Instagram- und Facebook-Timeline als Werbung markiert und ich finde es schlicht nervig. Aber zumindest bis das Berliner Kammergericht in zweiter Instanz seine Entscheidung zu dem Fall getroffen hat, werde auch ich nun Posts, in denen ich den Verlag verlinke/mit Hashtag kennzeichne, vorsichtshalber als unbezahlte Werbung deklarieren. Offensichtlich sind ja sonst schließlich alle Nutzer, die sich bei mir umschauen, unfähig, zwischen freier Meinungsäußerung und tatsächlicher Werbung zu unterscheiden und werden auf perfide Weise von mir dazu verführt, das Buch zu kaufen (Achtung, Sarkasmus, falls es wirklich nicht offensichtlich genug war). Abmahnungen sind für so kleine Lichter wie mich zwar eher unwahrscheinlich, aber better save than sorry, ne?

UPDATE: Skoutz hat sich die Begründung des Gerichts genauer angeschaut und kritisch zu den Gerüchten geäußert, dass jetzt jeder alles als Werbung deklarieren muss. Hier könnt ihr mehr dazu lesen

Was können wir also tun? Zumindest im Fall der Abmahnungen heißt es abwarten und Füße still halten, denn hier hilft Protest nichts und es ist wahrscheinlich, dass das Kammergericht anders entscheiden wird. Was das europäische Parlament betrifft, könnt ihr allerdings durchaus Einfluss nehmen. Denn nächstes Jahr steht die Wahl zum Europaparlament an und wenn tausende erboste Wähler ihren Protest gegen den Gesetzesentwurf kundtun, werden zumindest die, die auf eine (Wieder)Wahl hoffen, uns nicht so einfach ignorieren.

13 Kommentare:

  1. Hallo Friederike,

    ein guter Artikel. Ich bin mittlerweile einfach nur noch genervt von dem, was da in den letzten Wochen alles passiert. Kaum hat man sich vom Stress mit der DSGVO erholt, kommt auch schon das nächste Geschoss um die Ecke. Zu Artikel 13 gibt es ja eine Petition. Ob sie was bringt? Wer weiß, aber versuchen muss man es wenigstens. Es ist einfach nur traurig, was da über die Köpfe der wirklichen Internet User hinweg entschieden wird.
    Tja und die Abmahnungen … Ich blicke einfach nicht mehr durch. Da heißt es alles muss als Werbung gekennzeichnet werden sobald es ein Logo zeigt oder einen Link enthält, auch wenn es unbezahlt ist. Und an anderer Stelle dann wieder nein, macht das nicht, falsche Kennzeichnung kann auch zu Abmahnungen führen. Ich habe den Werbehinweis jetzt wieder rausgenommen (einfach nach Bauchgefühl - für eins muss ich mich ja entscheiden), weil ich eben nicht für Rezensionen, Links etc. bezahlt werde. Mal sehen, was daraus wird. Ich kann momentan jedenfalls einfach nur noch resignierend die Arme in die Luft werfen und dabei genervt grunzen. ¯\_(ツ)_/¯

    Liebe Grüße,
    Sam

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    1. Ich glaube, bei Vreni war ein Argument des Gerichts, dass sie auf Seiten verwiesen hat, die direkt einen Shop enthalten.
      Ich hab den Hinweis auch wieder rausgenommen, einfach weil ich finde, dass dadurch die Kennzeichnungspflicht total verwischt und ein falscher Werbungshinweis auch wieder Probleme nach sich ziehen kann.

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  2. Hi meine Liebe,

    Ich bin auch nur noch Max. genervt und bin auch gerade dabei auf Instagram alles als Werbung zu kennzeichnen. Meine Millionen müssen ja verdient werden 😂😂😂
    Ist es tatsächlich, dass die zweite Instanz bei Vreni anders entscheidet? Die Info hatte ich noch nicht gelesen.

    Liebe Grüße
    Desiree

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    1. Zumindest ein Anwalt, der dazu von einem Radiosender interviewt wurde, schätzt es so ein. Bleibt nur abwarten.

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  3. Hallo Friederike,

    da merkt man mal wieder, dass unsere Politiker viel zu viel Lobbynähe haben.

    Ein Filter fürs Internet - so einen Schwachsinn können sich nur Leute ausdenken, die keine Ahnung haben.

    Da weiß ich gleich wieder warum ich meine Seiten selber hoste. :)

    LG

    Torsten

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    1. Hi Torsten, zumindest in der ersten Abstimmung hat sich das Parlament gegen den Entwurf entschieden. Jetzt hat man nochmal Zeit, den Entwurf zu verbessern, bevor er Ende des Jahres erneut bewertet wird.

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    2. Hey Friederike,

      ich hab es schon gehört aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Da kann man nur hoffen, dass sich dafür keine Mehrheit bildet, weil der Entwurf auch mit Nachbesserungen vermutlich nicht gut wird.

      Schon schlimm was unter dem Deckmantel von Terrorabwehr und Urheberschutz heutzutage die Pressefreiheit leidet. Da beschwert man sich immer über Länder wie China oder Russland aber vielleicht sollte man vor der eigenen Haustür anfangen.

      LG

      Torsten

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  4. Huhu Friedelchen,

    ich bin absolut begeistert von deinem beitrag und kann nur Danke sagen!
    Ich selbst weiß auch schon gar nicht mehr wo mir der Kopf steht, und ich bin niemand, der sich schnell stressen lässt.
    Aktuell betitel ich meine Posts auf Insta die zu Verlags-/Verkausseiten führen auch mit Werbung, bin zwar selbst unglückich damit, möchte mich aber auch nicht in die Nesseln setzen.
    ich hoffe sehr, dass es bald ein bisschen mehr klarheit und den Moment zum Aufatmen geben wird.

    Liebste Grüße <3 Jill

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    1. Hi Jill, gern geschehen :-) Ich hoffe auch, dass da bald etwas Klarheit reinkommt, als Laie kann man kaum noch den Durchblick behalten, was nun rechtssicher ist und was nicht. Ich selbst habe die Werbungs-Markierung wieder rausgenommen; mal sehen, wie letztlich das Urteil ausfällt.

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  5. Huhu Friederike,

    ein wirklich interessanter und informativer Beitrag. Von dem Fall Vreni Frost habe ich bisher tatsächlich noch nichts mitbekommen, werde dies aber ab jetzt weiterverfolgen. Die Verlinkung zu Skoutz-Beitrag, fand ich auch nochmal wichtig und sehr gut. Dort wird ja objektiv differenziert und genauer auch auf das Urteil eingegangen.
    Vielen Dank für diesen Artikel und den Einblick ins aktuelle Geschehen. <3

    Ganz liebe Grüße
    Leni

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    1. Hi Leni, gern geschehen :-) Der Artikel von Skoutz hat mir auch nochmal ein wenig mehr Klarheit verschafft. Letztlich müssen aber die Gerichte entscheiden, was nun korrekt ist und was nicht.

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  6. Guten Morgen!

    Ich hab deinen Beitrag heute in meiner Stöberrunde verlinkt ;)

    Liebste Grüße und einen schönen Tag!
    Aleshanee

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